Das Chaosrennen: Das sagen die Sportchefs

  • 23. September 2007 - 15:56 Uhr

    Wolfgang Ullrich und Norbert Haug zum dramatischen Rennverlauf in Barcelona und der Entscheidung von Audi, alle Autos vorzeitig in die Box zu holen


    (Motorsport-Total.com) - Spätestens neun Runden vor Schluss hatte das Rennen in Barcelona nichts mehr mit Rennsport zu tun. Audi holte alle seine Autos in die Box, sechs einsame Mercedes drehten ihren Runden. Die Fans auf den Tribünen quittierten das mit lauten Pfiffen. Vorausgegangen war ein hartes und turbulentes Rennen, in dem beide Titelaspiranten der Ingolstädter unfreiwillig vorher von der Strecke flogen - nach Zweikämpfen mit Konkurrenten aus Stuttgart.


    Zuerst erwischte es Martin Tomczyk - der bis dahin Meisterschaftszweite und Polesitter und Mika Häkkinen gerieten aneinander. Für Häkkinen war das Rennen sofort beendet, Tomczyk fiel zwar zurück, konnte aber zunächst weiterfahren. Später allerdings musste er seinen A4 mit einem Kühlerschaden, den er sich wohl bei dem Rempler zugezogen hat, in der Box abstellen.


    Dann kam das Aus für Gesamtleader Mattias Ekström. Bei einem Manöver gegen Daniel la Rosa flogen beide in den Kies, Ekström humpelte zurück zur Box und schied aus. Entsprechend hochexplosiv war die Stimmung danach bei Audi. Denn unterdessen fuhr Rivale Bruno Spengler vorne weg. Neun Runden vor Schluss fiel die Entscheidung bei den Ingolstädtern: Wir hören alle auf. Unter dem Applaus von Ekström und Tomczyk steuerten alle im Rennen verbliebenen Audis die Box an.

    Audi wollte unüberlegte Aktionen verhindern


    "Wir sind hierher gekommen, um ein schönes sportliches Rennen um die Meisterschaft auszufahren, und ich denke, es gab dazu auch ausgezeichnete Voraussetzungen", sagte Audi-Sportchef Wolfgang Ullrich danach in der 'ARD'. "Es sind dann die zwei Audi-Fahrer, die um die Meisterschaft fahren, beide aus dem Rennen gekegelt worden. Es ist dann auch noch mit anderen Fahrern wirklich hart umgegangen worden. Um zu vermeiden, dass irgendjemand auf die Idee kommt, auch mit solchen Methoden zu arbeiten, die nicht unsere Methoden sind, habe ich es ganz einfach als richtig empfunden, meine Autos zurückzuholen."


    Das heißt im Klartext - es war keine Protestaktion, sondern Ullrich wollte seine Fahrer vor eigenem Übermut schützen? "Wir wollten verhindern, dass irgendeiner der Fahrer - die selbstverständlich von dem Ganzen sehr enttäuscht sind - etwas macht, was wir alle nicht wollen und was nicht unser Stil ist. Darum bin ich der Meinung, es war absolut richtig", so Ullrich.


    Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug schüttelte den Kopf: "Ich habe kein Verständnis dafür, die Autos hereinzuholen - zu einem Zeitpunkt, als wir auf den Plätzen eins und drei lagen", sagte er im 'ARD-Interview'. "Ich weiß nicht, ob dieses Zeichen das richtige ist. Ich hoffe, dass wir in Hockenheim ein gutes und faires Rennen haben."

    Wer war an welchem Unfall schuld?


    Zu den Crashs im Rennverlauf sagte Ullrich: "Wir hatten drei Fahrer, die wirklich um die Meisterschaft fahren. Wir hatten uns wirklich vorgenommen und haben mit unseren Jungs darüber gesprochen: 'Bitte, wir gehen fair untereinander um.' Selbstverständlich geht es um hartes Rennfahren, aber in der Situation hätte Daniel la Rosa das sicherlich verhindern können. So ist es ein Nuller für Ekström. Das ist etwas, was ich nicht akzeptieren kann."


    Dieser Einschätzung schließt sich Norbert Haug an. Während La Rosa selbst Ekström die Schuld gab und erklärte, der Schwede habe ihm nicht genug Platz gelassen, hätte sich Haug mehr Umsichtigkeit von dem Hessen erwartet. "Hier war es sicherlich so, dass Mattias Ekström auch zumindest aggressiv unterwegs war. Ich kann nicht sagen, ob man die seitliche Berührung verhindern kann. Ich sehe das so, dass Daniel vielleicht die Sicherung durchgebrannt ist. Er muss, wenn er in der Wiese ist, sinnvollerweise aufstecken, auch aufstecken, wenn es um den Titelaspiranten geht. Das ist gar keine Frage. Daniel muss in der Wiese lupfen, aber das Manöver von Ekström war aggressiv."


    Heftig umstritten war auch das Manöver von Mika Häkkinen, der Martin Tomczyk schon kurz nach dem Start ins Aus befördert hat. Dazu sagte Haug: "Mika war schneller. Er hat ein optimistisches Manöver gewagt, aber er war auf jeden Fall deutlich schneller und kam an keiner Stelle vorbei. Er mag sich verschätzt haben. Ich kann Martin Tomczyk keinen Vorwurf machen. Vielleicht kann man ein Stückchen weiter aufmachen, ich weiß es nicht. Das Manöver war kein geplantes Manöver. Mika hat sich entschuldigt."


    Eines wollte klar stellen: Seine Piloten hatten nicht den Auftrag, die Audi-Spitzenreiter gezielt abzuschießen. "Unsere Fahrer waren nicht auf die Spitzenreiter-Audis angesetzt, definitiv nicht. Es war bei Mika ein Versuch, ein zu optimistischer Versuch. Es war keine geplante Aktion, das ist das Allerwichtigste. Mika hat den Versuch gewagt, aber nicht mit der Absicht, den Spitzenreiter wegzukegeln. Ein Spitzenreiter muss unter Druck auch mitagieren, wobei ich gar nicht von Schuld sprechen will."


    Kommt in Hockenheim die Audi-Retourkutsche? "Ich denke, wir werden alle die Emotionen herunterholen müssen, weil die waren ganz einfach aufgrund der Geschehnisse sehr hoch", so Audi-Sportchef Ullrich. "Wir werden uns zusammensetzen - und unser Ziel ist es, in Hockenheim ein tolles DTM-Finale zu zeigen und trotzdem mit fairen Mitteln den Titel nach Ingolstadt zu holen, weil wir stark sind und eine tolle Mannschaft haben."