Passen wir durch den Eiderkanal?

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    14. April 2005 Juni 1881. Jules Verne hatte es mit seinen Abenteuergeschichten nicht nur zu literarischem Ruhm gebracht, sondern auch zu Geld. So konnte er sich eine Yacht leisten, die fünfunddreißig Meter lange "Saint Michel", "ein eisernes Schiff, als Golette getakelt, durch fünf wasserdichte Schotten getrennt und von eleganter Gestalt". So hat der Bruder des Schriftstellers, er hieß Paul, das Schiff beschrieben. Die beiden Vernes waren gemeinsam mit zwei weiteren Passagieren und einem Dutzend Mann Besatzung von der englischen Küste nach Rotterdam gekommen und wollten weiter bis nach Kopenhagen. Widrige Winde hielten das Schiff zunächst in Rotterdam, später in Wilhelmshaven fest. So drohten die Reisepläne zu scheitern. Da bekam Jules Verne von Seeleuten den Rat, den langen Weg über Skagen abzuschneiden - durch eine Fahrt über Eider und Eiderkanal. Der Kanal war damals eine große technische Leistung und viel befahren. Aber konnte ein so großes Schiff die sechs Schleusen passieren? An einem Kriegsschiff, das zufällig neben der "Saint Michel" lag und den Kanal befahren hatte, wurde ausgemessen. Ja, Vernes Schiff müßte den Weg schaffen. Was den französischen Seefahrern jedoch keiner sagte: Für das Kriegsschiff waren die Schleusen extra mit provisorischen Schleusentoren erweitert worden - dennoch ging die Sache gut aus. Es kam auf jeden Zentimeter an, das Bugspriet wurde gekappt. So gelangte das Schiff in die Kieler Bucht, "ohne Zweifel eine der schönsten und sichersten von ganz Europa". Die "Kieler Zeitung" meldete die Ankunft von Jules Verne und hoffte, nun würden die Stadt, die Bucht und der Hafen auch in einem seiner Romane vorkommen. Die Hoffnung erfüllte sich nicht. Verne führte auf der Reise ein Tagebuch, das jedoch nicht veröffentlicht ist. Veröffentlicht wurde aber die Reisereportage seines Bruders Paul - ein kurzweiliges, charmantes Stück Prosa. In der zeitgenössischen Übersetzung ins Deutsche klingt das etwa im Bericht über einen Besuch des Kriegshafens von Wilhelmshaven so: "Wir wünschten natürlich lebhaft, auch diesen reservierten Teil der Anlage kennenzulernen, und begaben uns deshalb gegen zwei Uhr nach der Gouvernementsgebäude, um die unumgänglich nötige schriftliche Erlaubnis einzuwirken." In einem kleinen Buch ist die Reportage nun abermals erschienen - zur hundertsten Wiederkehr des Todestages von Jules Verne. Der Fotograf Günter Pump hat den Text etwas zu träumerisch-farbenfroh illustriert.



    F.P.


    "Jules Verne in Schleswig-Holstein", Bericht von Paul Verne, herausgegeben von Frank Trende, mit Fotografien von Günter Pump. Husum-Verlag, Husum 2005. 92 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen. Broschiert, 7,95 Euro. ISBN 3-89876-198-3.



    Text: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.04.2005, Nr. 86 / Seite R8


    http://www.faz.net/s/RubEE93A1…Tpl~Ecommon~Scontent.html