Mit Jules Verne im Kino

  • Von Ballonen, U-Booten und grünen Strahlen


    Es war ein tapferer Versuch, Jules Verne für ein jugendliches Kinopublikum neu aufzubereiten. Die jüngste Verfilmung des Verne-Klassikers "In 80 Tagen um die Welt" bot viel Computeranimation und Jackie Chan als Diener Passepartout auf und musste dennoch - vielmehr: gerade deshalb - scheitern. Mit raschen Schnitten und zeitgeistiger Comedy-Action ist dem Ahnherren der Science Fiction nämlich nicht beizukommen.


    Jules Verne verlangt auch im Kino ein Mindestmaß von jener Behaglichkeit, die seine Erzählungen charakterisiert. Eine Reise um die Erde per Schiff, Bahn und Ballon (letzterer eine freie Erfindung der Drehbuchautoren!) muss sich so gemächlich entfalten, wie dies in der bis heute Maßstab setzenden Verfilmung von 1956 vorgeführt worden war.


    Retro-Utopien


    Jules Verne entwirft Retro-Utopien, detailreich ausgepinselte Gesellschafts- und Technikentwürfe, die schon zu ihrer Entstehungszeit von romantischer Ironie nicht frei waren.


    Es gehört geradezu zu den Mindesterfordernissen einer adäquaten Verne-Verfilmung, diese Aura der anbrechenden Industriezeit heraufzubeschwören. Nur ja keine Modernisierung! Die besten, weil werkgetreuesten Verfilmungen Verne'scher Bücher lassen sich nicht grundlos viel Zeit: Disneys Cinemascope-Fassung der "20.000 Meilen unter dem Meer" oder die klassische Verfilmung der "Reise zum Mittelpunkt der Erde", beide bemerkenswerterweise mit James Mason, einem der schillerndsten Charakterschauspieler jener Jahre, in der jeweiligen Hauptrolle.


    Schauspieler, Puppen, Trickzeichnungen


    Ihnen allen stiehlt ein heute fast vergessener Tscheche die Show: Der 1989 verstorbene Karel Zeman. Er ist in seinen Verne-Verfilmungen am freiesten mit den Buchvorlagen umgesprungen und kommt ihnen doch am allernächsten. In Filmen wie "Die Erfindung des Verderbens", "Das gestohlene Luftschiff" und "Auf dem Kometen" kombinierte Zeman reale Schauspieler, gezeichnete Hintergründe und animierte Puppen zu verblüffenden Tableaus, die wirken, als seien die berühmten Illustrationen der Verne'schen Erstausgaben zu skurrilem Leben erwacht. Heute begegnet man diesen Meisterwerken leider nur noch per Zufall im Kinderprogramm mutiger Fernsehanstalten. Retrospektiven-Kuratoren und DVD-Hersteller haben da noch viel zu entdecken.


    Rohmer und Verne


    Entdeckerfreude wird auch sonst belohnt, wenn es um Jules Verne im Kino geht. Da gibt es, um nur einige Beispiele zu nennen, eine russische Leinwand-Version der "Geheimnisvollen Insel", Eric Rohmer hat eine seiner federleichten Dialogkomödien nach Vernes "Grünem Strahl" strukturiert, und noch in Orson Welles' Film Noir "The Lady from Shanghai" finden sich Verne-Anklänge, nämlich an "Die Abenteuer eines Chinesen in China". Jetzt jährt sich der Todestag des Franzosen zum 100. Mal - Zeit, sich an Jules Verne wieder zu erfreuen. Auch im Kino.


    Text: Hans Langsteiner


    http://oe1.orf.at/highlights/33802.html