Für die große, weite Welt reicht der Platz nicht ganz

  • LINDAU - Nun also auch noch ein Musical. Ein Musical? Das Euro-Studio Landgraf hat jedenfalls vier Jahre nach der Londoner Uraufführung auch den deutschsprachigen Raum mit dem Stück "In 80 Tagen um die Welt" versorgt. Über das Ergebnis gab es im Stadttheater unterschiedliche Reaktionen.




    Von unserem Mitarbeiter Winfried J. Hamann


    Wenn jemand wie Phil Willmott zugleich Regisseur, Autor und Komponist ist, liegt es vielleicht nahe, wenn er rechtzeitig zum diesjährigen Jules- Verne-Jahr seinen kreativen Beitrag leisten wollte. Dass er sich dabei gleich über das berühmteste Werk des französischen Schriftstellers hermachte, liegt wohl an der Verlockung, dem Kolorit der besuchten Länder eine atmosphärische und musikalische Entsprechung entgegenzusetzen. Die Inszenierung, mit dem das Euro-Studio nun über die Städte reist, lehnt sich dabei eng an das Londoner Vorbild.


    Als "eng" werden auch die elf Akteure manche der städtischen Bühnen empfinden, die ihnen für ihre Auftritte zur Verfügung stehen - und diejenige des Lindauer Stadttheaters macht da bestimmt keine Ausnahme. Dabei ist es bewundernswert, wie fantasievoll, geistreich und humorvoll die unterschiedlichen Bühnensituationen geschaffen werden: Gilt es doch, allen möglichen Ländern optische Referenz zu erweisen. Denn egal, ob es sich um Frankreich, Spanien, Ägypten, China, Japan oder Amerika handelt - immer findet sich eine Flagge, ein Kostüm, ein Tier oder die rechte Beleuchtung, um deutlich zu machen, wo sich der vornehme Phileas Fogg mit seinem Diener Jean Passepartout gerade um die Einhaltung ihrer 80-Tage-Frist bemühen.


    Auch hinsichtlich des weitgehend spritzigen Ablaufs ist die Arbeit einer erfahrenen Choreographin sichtbar, was angesichts des beschränkten Platzangebotes umso anerkennenswerter ist. Ebenso hat man bei der fünfköpfigen Band auf Profimusiker gesetzt, die zuverlässig und sensibel das Bühnengeschehen mitbestimmen.


    Allzu harmlos


    Wenn aber trotz verschiedener Zwischenapplause die ganz große "Musical-Stimmung" nicht aufkommen wollte, so lag das zum einen gewiss an der zwangsläufigen Beschränkung, die sich auch noch so engagierte Tourneebühnen auferlegen müssen, wenn sie einen so prallen Stoff adäquat umsetzen wollen, den ihnen Jules Verne vorgesetzt hat. Zum anderen war die Ausbeute an schmissigen Melodien oder gar Ohrwürmern zu gering, um an die großen Musical-Vorbilder heranreichen zu können, die jedes Publikum in entsprechende Hochstimmung versetzen können. Und nicht zuletzt schlich sich gegen Ende der "80 Tage" der Verdacht ein, als wolle man sie weitgehend mit den Mitteln hinter sich bringen, die bei Kinder- und Märchenstücken legitim, bei solchen für Erwachsene aber allzu harmlos wirken. Insofern hat "In 80 Tagen um die Welt" zwar für eine Abwechslung im Programm gesorgt; den ersten Höhepunkt der Theatersaison wird aber wohl erst Heribert Sasse in 14 Tagen liefern.


    http://www.szon.de/lokales/lindau/stadt/200510290359.html