Gegen das Vergessen

  • Eines der düstersten Kapitel des "Dritten Reichs" stellt die Ermordung von etwa sechs Millionen Juden dar. Einer der Menschen, die im Holocaust umgebracht wurden, war Petr Ginz, ein vielseitig begabter Junge, der am 1. Februar 1928 in Prag geboren wurde. Er war Sohn einer tschechischen Mutter und eines jüdischen Vaters und wuchs mit seiner jüngeren Schwester Eva mit jüdischen Traditionen auf. Beide galten nach nationalsozialistischer Rassenlehre als "Mischlinge" und hatten nach der Besetzung der Rest-Tschechei ab 1941 den Judenstern zu tragen. Bis der Unterricht für jüdische Kinder verboten wurde, besuchte Petr eine jüdische Schule. Er besaß nicht nur künstlerisches, sondern auch schriftstellerisches Talent, er zeichnete und malte mit großer Leidenschaft und schrieb Tagebücher, Gedichte sowie acht Romane nach dem Vorbild Jules Vernes. Er liebte jede kreative Arbeit, "in seiner kindlichen Phantasie sah er sich selbst als Buchbinder, Schriftsteller, Verleger, Reporter und Forscher in einer Person", sagt seine Schwester. Vielleicht wäre er einem dieser Berufe nachgegangen, hätte der Völkermord der Nationalsozialisten ihn nicht zu einem der Millionen Opfer gemacht. Petr starb 1944 im Alter von 16 Jahren im KZ Auschwitz.


    Das Tschechische Zentrum Dresden zeigt noch bis zum 19. Oktober eine Zusammenstellung des Berlin Verlags zum Leben und Werk Petr Ginz' unter dem Titel "Petr Ginz - Prager Tagebuch 1941-1942". Petrs Zeichnungen wurden nach Ende des "Dritten Reichs" und nach der Gründung des Staates Israel im Holocaust-Museum Yad Vashem aufbewart. 2003 nahm der erste israelische Astronaut, Ilan Ramon, Petrs Zeichnung "Mondlandschaft" als ein Symbol für den Holocaust mit ins All. Die Raumfähre "Columbia" verglühte jedoch beim Eintritt in die Atmosphäre. Viele Presseberichte erwähnten nach dem Unglück auch Petrs Bild. Daraufhin wandte sich ein Mann aus Prag, auf dessen Dachboden jahrelang Petrs Tagebuch unbeachtet lagerte, an das Yad Vashem Museum. Petrs Schwester Eva Pressburger, die die Schoah überlebte, erfuhr davon. Sie erwarb es und sorgte dafür, dass das "Prager Tagebuch" (Berlin Verlag, 2006) veröffentlicht wurde.



    Die Ausstellung im Tschechischen Zentrum über Petr Ginz' Leben und Werk gliedert sich in drei Themenbereiche. Der erste, "Das Tagebuch", widmet sich Auszügen aus diesem, in dem er vom 19. September 1941 bis 23. Februar 1942 nüchtern, sachlich und eindrücklich schilderte, wie seine geliebte und vertraute Heimatstadt Prag für ihn mehr und mehr zu einem Ghetto ohne Mauern wurde. "Insgesamt 18 Menschen erschossen, meist wegen Beherbung ungemeldeter Personen", lautete ein Eintrag vom 1. Juni 1942. Petr protokollierte seinen Alltag und vermied es tunlichst, persönliche Gefühle und Gedanken niederzuschreiben. Neben Tagebuchnotizen sind Fotos von ihm und seiner Familie sowie die von der Tschechischen Post herausgegebene Briefmarke mit seiner Zeichnung "Mondlandschaft" zu sehen.



    Der Ausstellungsteil "Der junge Künstler und Literat" präsentiert Gedichte, Texte und Zeichnungen sowie Auszüge aus Petrs selbst illustriertem Roman "Besuch aus der Urzeit", verfasst unter dem Namen seines großen Vorbilds Jules Verne. Ginz kam Ende 1942 als 14-Jähriger ins KZ Theresienstadt, wo er in einer Gemeinschaft von Jungen lebte. Auf seine Initiative hin gründeten sie eine Kinderzeitschrift mit dem Titel "Vedem" (Wir führen), die einmal wöchentlich erschien. Solche Unternehmungen waren streng verboten und fanden im Geheimen statt. Veröffentlicht wurden u.a. Gedichte, Reflexionen über Vergangenheit und Zukunft, feuilletonistische Texte sowie Glossen, die Ohnmacht, aber auch Hoffnung auf bessere Zeiten ausdrückten. Auszüge aus dieser Untergrundzeitschrift, deren fleißigster Zeichner und Redakteur Petr war, sowie Dokumente zu seiner Deportation ins Lager und über den schmerzlichen Abschied von seiner Familie werden im dritten Expositionsteil "Theresienstadt" gezeigt. 1944 kam auch Petrs Schwester Eva ins KZ. Sie hatte kurz vor der weiteren Deportation ihres Bruders die Möglichkeit, sich von ihm zu verabschieden: "Der Zug ist da. Petr hat die Nummer 2392. Petr ist unglaublich ruhig. Die ganze Zeit habe ich gehofft, dass der Zug nicht kommt, obwohl ich das Gegenteil wusste..." Petr Ginz fuhr daraufhin mit einem Transport in den Tod nach Ausschwitz.


    A. Weber



    Bis 19. Oktober, Tschechisches Zentrum, Hauptstr. 11, Tel. 0351/8040514 o. -15, geöffnet Mo. 14-17.30 Uhr, Di. u. Do. 11-17.30 Uhr


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