Nichts ist unmöglich

  • Fünf Minuten Physik: Nichts ist unmöglich


    Als Jules Verne seine "Reise zum Mond" schrieb, waren die technischen Möglichkeiten der Erdlinge noch lange nicht so weit, als dass man ein solches Projekt tatsächlich hätte angehen können. Doch aus dieser Science-Fiction wurde fast 100 Jahre eben doch Realität.


    Die meisten jener Visionen, die uns heutzutage als Science-Fiction präsentiert werden, dürften indes für immer im Reich des Theoretischen bleiben. Da werden Geschwindigkeiten jenseits der Lichtgeschwindigkeit erreicht, Menschen von einem Ort zum anderen teleportiert oder Gravitationskräfte aufgehoben. Nichts ist unmöglich, scheint das Credo dieser Form der Science-Fiction zu sein. Tatsächlich verdienen diese Fiktionen nicht mehr das Attribut "wissenschaftlich", denn sie verstossen mutwillig gegen bekannte Naturgesetze.


    Niemand könne wissen, so wird bisweilen argumentiert, ob das, was wir heute für unumstößliche Naturgesetze halten, sich nicht vielleicht doch irgendwann als Irrtum herausstellen könnte. Diesen Einwand kann man tatsächlich auf der Basis der Wissenschaft nicht vollkommen entkräften, denn jede Theorie und damit jedes Naturgesetz unterliegt stets dem Vorbehalt der Falsifizierung. In diesem Sinne ist nichts gewiss. Aber immerhin doch so gewiss, wie zum Beispiel, dass die in ein Glas Wasser gespritzte Tinte sich darin nicht einfach wieder von alleine entmischt. Und dass die Lichtgeschwindigkeit tatsächlich die größtmögliche Geschwindigkeit im Weltall ist, dafür gibt es mehr als überwältigende Indizien.


    Doch selbst wenn nicht das ganze Wissen der Physik die nächsten Jahrhunderte überdauern sollte, so kann man daraus noch lange nicht ableiten, dass langfristig nichts unmöglich sei. Es gibt Grenzen, und das Spannende an der Wissenschaft ist unter anderem, dass sie solche Grenzen aufzeigen kann und damit der Beliebigkeit Schranken setzt.


    Die Mentalität des "Nichts ist unmöglich" hat sich bei vielen Menschen bereits so sehr in die Köpfe gebohrt, dass sie über fantastische, aber tatsächlich reale Entwicklungen in Physik und Technik überhaupt nicht mehr staunen können. Sie würden ja kritiklos selbst viel unwahrscheinlichere, ja unmögliche Nachrichten für bare Münze nehmen. Innovationen werden nicht mehr als solche wahrgenommen, weil sie weit hinter dem mental Erwartbaren zurückbleiben.


    Letztlich wird in einem Klima des "Nichts ist unmöglich" sogar Technikfeindlichkeit geschürt. Jede nur denkbare negative Auswirkung einer Technologie wird von einem bestimmten Personenkreis kritiklos für möglich gehalten. Wenn morgen in der Zeitung stehen würde, dass Flachbildschirme in Verdacht stehen, Krebs auszulösen - nicht wenige würden es wohl sofort glauben.


    Die hohe Kunst der Science-Fiction besteht darin, im Rahmen der bekannten Naturgesetze jene technischen Visionen zu beschreiben, die nicht naheliegend sind, aber auch nicht grundsätzlich unmöglich. Jules Verne beherrschte diese Kunst. Menschen, die diese Gabe heutzutage haben, schreiben wahrscheinlich keine Romane. Sie könnten ihre Visionen gewinnbringender an Hightech-Konzerne verkaufen.


    http://www.welt.de/welt_print/…/Nichts_ist_unmglich.html