Fragen Sie Reich-Ranicki

  • Ich würde auch ein Taschenbuch signieren


    Außer dem „Münchhausen“ begegnet man Gottfried August Bürgers Werken, etwa der Ballade „Lenore“, heute kaum noch. Zu Recht? War Schillers Kritik berechtigt? Wilfried Bürger, Hamburg


    Reich-Ranicki: Die Voraussetzung ist, wie oft in solchen Fragen, nicht richtig. In den Anthologien, die das 18. Jahrhundert umfassen, finden sich in der Regel mehrere Gedichte Bürgers. Ich glaube, das reicht. Schillers Kritik der Lyrik Bürgers? Glänzend und immer noch interessant.


    Gab es maßlos überschätzte Autoren? Und was genau bedeutet es, ein überschätzter Autor zu sein? Nils Schöner


    In jeder Epoche gibt es überschätzte Autoren, das sind jene, die mehr gelesen und geliebt werden, als ihr Werk es verdient. Freilich hat die Überschätzung schon ihre Gründe, die man, wenn man sich mit solchen Autoren befasst, herausfinden sollte.


    In Lübeck kaufte ich die „Blechtrommel“ im Taschenformat. Ich bat Grass, das Buch zu signieren. Er lehnte ab, er signiere nur gebundene Bücher. Würden Sie genauso reagieren? Eva-Maria Stegemann, Bruchköbel


    Nein, ich würde auch ein Taschenbuch signieren, aber ich verstehe Grass, der dies nicht tun wollte.


    Halten Sie Milan Kunderas „Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins“ für sexistisch? Sabine Schaper, Hamburg


    Nein, nicht Milan Kunderas Roman ist sexistisch, sondern das Leben in Europa in unserer Epoche. Was aber viele Menschen für sehr angenehm halten.


    Ich glaube, dass Goethes schöne Alterslyrik „Der west-östliche Divan“ seit ihrer Entstehung bis heute nie ihrem Wert entsprechende Anerkennung gefunden hat. Bis 1920 lagen ungebundene Erstausgaben in deutschen Buchhandlungen. Warum ist das so? Ekkehard Scheufler, Bremen


    Das hätte ich auch gern gewusst. Vielleicht könnte sich einer unserer Goethe-Forscher, der etwas jünger ist als ich, der Sache annehmen.


    Woran liegt es, dass Wolfgang Hildesheimer in Vergessenheit geraten ist? Olga Garcia (Spanien)


    Hildesheimer war ein sympathischer Mensch, aber seine Bücher haben mich nie sonderlich interessiert. Vielleicht haben sie sich mittlerweile überlebt, wie die meisten vor Jahrzehnten entstandenen Bücher?


    Ich bin ein Freund phantastischer Literatur, und am liebsten lese ich Bücher von Jules Verne. Was halten Sie von Verne? Alexander Ramseger, Hamburg


    Im Alter von elf, zwölf Jahren habe ich einige Bücher von Jules Verne gelesen. Dann habe ich aufgehört, sie zu lesen, und bin nie zu ihnen zurückgekehrt. Ist mir viel entgangen? Jedenfalls habe ich Verständnis für Sie, die Sie Verne treu geblieben sind. Die Beschäftigung mit Literatur ist - unter anderem - eine gute Schule der Toleranz.


    Text: F.A.S.


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