Der älteste Science-Fiction-Roman der Welt

  • Vor 400 Jahren schrieb der Astronom Kepler mit „Mondtraum“ den allerersten Science-Fiction-Roman


    (epd/hele) Wollüstlinge und Übergewichtige könne man bei einer Reise zum Mond nicht brauchen, meinte Johannes Kepler. Der Mathematiker und Astronom schrieb vor 400 Jahren den ersten Science-Fiction-Roman – lange vor Jules Verne.

    Zum 40. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung vom 21. Juli 1969 wird weltweit an Jules Verne (1828 bis 1905) erinnert. Der Franzose verfasste 1865 seinen Reise-Roman „Von der Erde zum Mond“ und gilt damit als Begründer der Science-Fiction-Literatur. Doch den ersten wissenschaftlichen Mond-Roman schrieb der deutsche Astronom und Mathematiker Johannes Kepler (1571 bis 1630) schon vor 400 Jahren: „Somnium“ („Mondtraum“) nannte er sein Werk von 1609. Kepler beschrieb er zum ersten Mal eine Reise zu dem Erdtrabanten – und wie die Welt samt Sonne und Sternenhimmel von dort aus betrachtet aussehen müsse.


    Die „Anfangsbewegung“ sei die schlimmste: man werde „gerade so emporgeschleudert, als wenn man durch die Kraft des Pulvers gesprengt über Berge und Meere dahinflöge“, beschrieb Kepler das Abheben des Mondfahrzeugs von der Erde. Mitnehmen könne man „keinen von sitzender Lebensart, keinen Wohlbeleibten, keinen Wollüstling“. Zu empfehlen sei, einen Reisenden „zuvor durch Opiate zu betäuben“. Seine Glieder müssten „sorgfältig verwahrt werden, damit sie ihm nicht vom Leibe gerissen, vielmehr die Gewalt des Rückschlags in den einzelnen Körpertheilen vertheilt bleibt“, nahm Kepler schon im Frühbarock moderne Raumanzüge vorweg.


    Unerträgliche Hitze
    Vorsicht sei dann bei der Landung geboten, damit die Reisenden nicht „infolge stets zunehmender Anziehung durch zu harten Anprall an den Mond Schaden leiden“. Nach der Landung müssten die gewaltigen Temperaturunterschiede bedacht werden, zum einen wegen der Sonne, „die mit voller Gluth hervorbricht“. Es herrsche „eine unerträgliche Hitze, wohl 15-mal so glühend, wie in unserem Afrika“. Auf der Nachtseite des Mondes dagegen sei es „ungeheuer kalt, unerträglicher wie irgendwo auf Erden“. Auch gebe es Probleme mit der „Athemnot“.


    Die Größe des Mondes gab Kepler mit „rund 1400 deutschen Meilen im Umfang“ recht genau an – heute kommt man bei einem Durchmesser von rund 3480 Kilometern auf einen Umfang von knapp 11 000 Kilometern, was etwa 1451 Meilen entspricht.


    Der „Mondtraum“ von 1609 war in lateinischer Sprache verfasst. Gedruckt wurde er erst 1634, vier Jahre nach Keplers Tod. Eine deutsche Übersetzung erschien erst 1898. Dennoch waren Abschriften des Romans bereits frühzeitig im Umlauf – auch im württembergischen Leonberg, wo Keplers Mutter Katharina (1546 bis 1622) lebte. 1615 wurde sie der Hexerei bezichtigt, weil eine Nachbarin sie als Giftmischerin denunzierte. Daran war Kepler möglicherweise nicht ganz unschuldig, weil er seinem Mond-Buch eine märchenhafte Rahmenhandlung gegeben hatte. Er legte sein astronomisches Wissen über den Mond einem Geist in den Mund, der durch allerlei Zeremonien und die Künste einer „Kräuterfrau“ namens Fiolxhilde herbeigerufen wurde. Zeitgenossen konnten in ihr unschwer die Züge seiner Mutter erkennen.


    Kepler konnte als Hofastronom des Kaisers 1621 die Freilassung der Mutter erwirken. Literarisch spielte Keplers „Mondtraum“ keinerlei Rolle, auch wenn er wissenschaftlich seiner Zeit weit voraus war. Als Jules Verne seine Mondreise schrieb, war „Somnium“ längst vergessen.


    Eine späte Genugtuung hat Kepler vor Jules Verne aber doch erfahren: Der Mondkrater, der seinen Namen trägt, ist mit 32 Kilometern Durchmesser erheblich größer als der kleine Krater namens „Jules Verne“ mit nur zwei Kilometern. Keplers genialer Geist verstand die komplizierte Himmelsmechanik nicht nur als theoretisches Modell, sondern als physikalische Tatsache. Die Bahn der Erde um die Sonne beschrieb er so, dass er sich vorstellte, sie vom Planeten Mars aus zu betrachten. Ebenso verfuhr er mit dem Mond: Die Erde müsse von ihm aus gesehen „wie am Himmel angeheftet“ erscheinen, man könne ihre Eigendrehung sehen. Tag und Nacht auf dem Mond, schrieb Kepler korrekt, würden jeweils etwa zwei Wochen dauern.


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