Mit Volldampf und Nostalgie – der Steampunk

  • Geschrieben von: Nils Hermann
    Mittwoch, den 23. September 2009 um 20:21 Uhr



    [Blockierte Grafik: http://www.blauenarzisse.de/steampunk.JPG] Weißt Du, dass die Ramones Conservative Punks waren? Nicht so schlimm. Aus der Punkszene sind schon viele bislang unbeachtete Subkulturen erwachsen. Unter anderem auch der Steampunk, eine literarische Gattung. Es geht um Dampfmaschinen, Luftschiffe und Mechanik im viktorianischen Stil. Aber viel wesentlicher ist eine gewisse Skepsis gegenüber der Moderne. Lässt sich ihr noch Sinn entlocken?


    Vor 30 Jahren begannen die Autoren Tim Powers, James Blaylock und Kevin Wayne Jeters Romane über eine fiktive Vergangenheit zu schreiben. Sie spielt in einer Art 19. Jahrhundert. Die Autoren greifen dabei auf die Ästhetik von Jules Verne und H.G. Wells zurück. Deutlich wird dies im Titel des ersten Romans von Jeters: „Morlock Night“. Es erinnert an Wells‘ „Die Zeitmaschine“.


    Es gibt Computerspiele und auch Filme, die Steampunk-Elemente aufweisen


    Es war Jeters, der den Begriff Steampunk in einem Leserbrief an die Zeitung Locus erfand. Er hoffte, dass seiner Idee der große Durchbruch folgen würde. Er blieb jedoch aus. Zwar gibt es Videospiele wie Final Fantasy, Arcanum oder World of Warcraft, die berühmt sind und Steampunk-Elemente aufweisen. Auch Filme wie Wild Wild West waren erfolgreich. Aber mit dem Begriff Steampunk würde das kaum jemand außerhalb der Subkultur verbinden.


    In ihren Anfängen wurde sie als Untergruppe des Cyberpunks gehandelt. Sie entwickelte sich jedoch zu einer weltanschaulich unabhängigen Gruppe. Die neueren Vertreter des Steampunks lehnen die dystopische Weltsicht des Cyberpunks ab und damit auch dessen politischen Anspruch. Was bleibt, ist rein ästhetisch und nostalgisch. Nicht ohne Grund besteht Kontakt zur Gothicszene.


    „Wenn wir wollen, dass etwas Bestand hat, sorgen wir für Schönheit, nicht für Effizienz.“


    Eine derartige Neigung zu Ästhetik und Nostalgie findet sich auch auf konservativer Seite, z.B. bei Nicolás Gómez Dávila. Wenn Steampunker in monatelanger Arbeit Dampfmaschinen oder mechanische Gegenstände nur aus ästhetischen Gründen bauen, klingt das nach Dávilas Vermutung: „Wenn wir wollen, dass etwas Bestand hat, sorgen wir für Schönheit, nicht für Effizienz.“


    Der libertäre Journalist und Informatiker Bernd Haug bewertet solche Gedanken jedoch als traurig. Er sieht in dem Steampunkern Verzweifelte, die dem 21. Jahrhundert entfliehen wollen und deshalb zur Technik des 19. Jahrhunderts flüchten. „Die reine oberflächliche Zeitmaschinenästhetik, obwohl schön, ist also sinnlose Zeitverschwendung und kann das Loch in der Seele der Praktizierenden nicht füllen. Das ganze ist ein selbstgewählter Zookäfig für Ästheten“, so Haug.


    Das gilt zwar für jeden Künstler, der in einer Subkultur wirkt. Doch nirgendwo wird das so offensichtlich wie bei dem scharfen Kontrast zwischen 21. Jahrhundert und Dampfmaschine. Bernd Haug: „Wenn man vom 20. Jahrhundert etwas loswerden will, ist es seine – wertfrei gesprochen – soziale Innovation, nicht die neuen Technologien.“ Damit kritisiert er direkt die Generation VZ, in deren Subkulturenkosmos sich der Steampunk nahtlos eingeflochten hat.


    Ist der Moderne noch „Sinn abzuringen“?


    Von den meisten Subkulturen unterscheidet sich der Steampunk aber durch seinen zum Scheitern verurteilten Gesamtaufbau. Laut Rahim Taghizadegan vom Institut für Wertewirtschaft ist dieser Gesamtaufbau „aus der Schwäche der Moderne mittels nostalgischer Ansätze Sinn abzuringen“ entstanden. Taghizadegan lobt den Ansatz, denn es „ist besser an einer guten Sache zu scheitern, als sie gar nicht erst zu versuchen.“ Er knüpft damit an Dávila an. Dieser lobt das Scheitern in einer hohen geistigen Ebene.


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