Die Versenkung der Wilhelm Gustloff
Nach dem Durchbruch der Roten Armee an der Ostfront fanden sich zu Beginn des Jahres 1945 viele Menschen in Ostpreußen abgeschnitten, deren frühzeitige Evakuierung das nationalsozialistische Regime, insbesondere der Königsberger Gauleiter Erich Koch, abgelehnt hatte. Nun wurde überstürzt das Unternehmen Hannibal angeordnet, in dessen Rahmen 2,5 Millionen Menschen – Zivilisten wie Soldaten - in das westliche Deutschland gebracht werden sollten. Daran sollte sich auch die Wilhelm Gustloff beteiligen.
Am 30. Januar 1945 gegen 13 Uhr legte sie mit nur leichtem Geleitschutz und schätzungsweise 10.300 Menschen an Bord in Gdingen ab. Die genaue Anzahl der Passagiere und Besatzungsmitglieder ließ sich nie mit letzter Sicherheit feststellen, da ihre Flucht überhastet erfolgte. Offiziell registriert wurden 7956 Menschen. Nach Ende der offiziellen Zählung drängten aber noch ungefähr 2500 weitere Passagiere an Bord. Insgesamt dürften sich auf der Wilhelm Gustloff rund 10.400 Menschen befunden haben: etwa 8.800 Zivilisten, davon eine große Zahl Kinder, sowie ca. 1500 Wehrmachtsangehörige, darunter zahlreiche Verwundete, mehrheitlich aber rund 340 Marinehelferinnen und 918 Soldaten der 2. U-Boot-Lehrdivision, die von Kiel aus erneut in den Kriegseinsatz gehen sollten. Damit war die Gustloff kein Lazarettschiff, sondern ein legitimes militärisches Ziel. Allerdings boten auch Lazarettschiffe den Evakuierten keinen Schutz vor sowjetischen Angriffen, da die sowjetische Seite es ablehnte, diese als solche anzuerkennen.
An Bord waren vier Kapitäne, denen die Gefahr durch sowjetische U-Boote bekannt war, die sich aber nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen konnten. Der militärische Kommandant der Wilhelm Gustloff, Korvettenkapitän Wilhelm Zahn, schlug vor, abgedunkelt durch flache Küstengewässer zu fahren. Er setzte sich jedoch nicht gegen Kapitän Petersen durch, der sich angesichts der Überladung des Schiffs für eine Route durch tiefes Wasser entschied. Als er über Funkspruch erfuhr, dass sich deutsche Minenleger auf Gegenkurs zur Wilhelm Gustloff befänden, ließ er zudem Positionslichter setzen, um eine Kollision zu vermeiden. Dadurch war das Schiff auch in der Dunkelheit auszumachen.
Auf der Höhe von Stolpmünde wurde die Wilhelm Gustloff gegen 21 Uhr von dem sowjetischen U-Boot S 13 gesichtet, das vor der Danziger Bucht in Lauerstellung lag. Um 21:08 Uhr ließ der Kommandant von S 13, Alexander Iwanowitsch Marinesko aus ca. 700 Metern Entfernung vier Torpedos abfeuern. Ein Torpedo klemmte, drei trafen die Wilhelm Gustloff am Bug, unter dem E-Deck und im Maschinenraum. Das Schiff sank in etwas mehr als einer Stunde gegen 22.15 Uhr, etwa 23 Seemeilen von der pommerschen Küste entfernt. Herbeieilende Schiffe konnten nur 1.252 Menschen retten, darunter alle vier Kapitäne. Das Torpedoboot Löwe, das die Gustloff begleitet hatte, barg 472, das Torpedoboot T 36 564 Überlebende aus Booten, von Flößen und aus dem Wasser. Das Minensuchboot M 341 rettete 37, der Marinetender TS II 98, das Minensuchboot M 375 43 und der Frachter Göttingen 28 Menschen. Zwei wurden in den Morgenstunden von dem Frachter Gotenland geborgen, sieben von dem Torpedofangschiff TF 19, einer vom Vorpostenboot Vp 1703. Mit ca. 8800-9300 Toten, hauptsächlich Frauen und Kinder, ist der Untergang der Wilhelm Gustloff bis heute das größte Unglück der Seefahrtsgeschichte.
Zur hohen Zahl von Toten trugen folgende Umstände bei: Um eine planlose Flucht und damit den Ausbruch einer Panik zu verhindern, wurden etwa 1000 Menschen in den Wintergarten des Schiffs beordert und dort von Offizieren mit Waffengewalt festgehalten. Als das Schiff sank, mussten sie feststellen, dass die Fenster des Wintergartens aus Panzerglas bestanden und jedes Entkommen verhinderten. Schwerwiegender war, dass die Wilhelm Gustloff nicht annähernd über genügend Rettungsboote verfügte, zum einen wegen ihrer Überfüllung, zum anderen waren in Gdingen etliche Rettungsboote von Bord gebracht und durch kleinere Ruderboote ersetzt worden, um sie zu Vernebelung des Hafens einzusetzen. Da in der Nacht des Untergangs Temperaturen von etwa -20 Grad Celsius herrschten, waren die vorhandenen Boote zudem vereist und konnten in der Eile nicht mehr alle seeklar gemacht werden.
Die S-13 versenkte am 9. Februar 1945 auch die Steuben mit ca. 4000 Menschen an Bord. Am 16. April 1945 wurde ein weiterer Flüchtlingstransporter, die Goya, von dem sowjetischen U-Boot L 3 torpediert. Dabei starben wahrscheinlich etwa 7000 Menschen. Heute ist das Wrack ein Seekriegsgrab. Am 3. Mai wurde die Cap Arcona mit Tausenden KZ-Häftlingen an Bord von Fliegerbomben versenkt. Das gleiche Schicksal ereilte am 4. Mai den Hilfskreuzer Orion. Dem damaligen Kapitän Marinesko der S-13 wurde 1990 trotzdem postum der Orden "Held der Sowjetunion" verliehen.