"Es liegt in der Luft was Idiotisches"

  • Paul Lincke: Frau Luna - Kölner Männergesangverein, WDR Rundfunkorchester, Helmuth Froschauer

    "Es liegt in der Luft was Idiotisches"


    Label/Verlag: cpo


    Die Ohrwürmer der 'Frau Luna'


    Paul Lincke hatte ein Gespür dafür, was das Publikum hören wollte. Als Komponist und als Geschäftsmann war er sehr erfolgreich und lieferte Ohrwürmer am Fließband. Mit „Frau Luna“ erzielt er 1899 seinen ersten großen Erfolg, wurde zum Begründer „der Berliner Operette“ und mit „Berliner Luft“ zum Komponisten der Berliner Hymne schlechthin. Das erfolgreiche Lied über die Berliner Luft fügt Lincke jedoch erst später hinzu.


    Die Wertschätzung des kompositorischen Schaffens Paul Linckes ist heute eher zwiespältig, das lag vielleicht auch an seiner eher diffusen politischen Haltung nach 1933. „Im Dritten Reich ist der Lincke immer der Rechte“, frotzelten die Berliner. Aber Paul Lincke war kein Antisemit. Eigentlich hatte er mit Politik wenig am Hut, was jedoch nicht bedeutet, dass seine Operetten voller Ironie stecken. Die Einschätzung des Operettenfachmanns Volker Klotz, der Frau Luna als „Paul Linckes Mollen-Provinzialismus“ abtut, ist grundlegend falsch und verdeckt, dass durchaus eine Verbindung von Frau Luna zu Kurt Weills „Mahagonny“ vorhanden ist. Auch bei Weills „Mahagonny“ gibt es eine künstliche Gegenwelt, die die reale Welt und deren Verhältnisse widerspiegelt.


    Man benötigt eine Aufführungspraxis, die aufräumt mit überkommenen Rezeptionsklischees. Wird eine Operette kulinarisch serviert, dann werden zumeist alle scharfen Kanten, das Verschmitzte pathetisch abgeschliffen. Der feingeistige Witz, der in den meisten Texten, aber natürlich auch in der Musik verborgen ist, geht verloren. Paul Linckes Operette steht in der oft unterschlagenen Tradition mit Jacques Offenbachs Jules-Verne-Adaption „Le Voyage dans la Lune“ aus dem Jahre 1875. Bei Paul Lincke treffen die Reisenden auf keine phantastische Gegenwelt, sondern eine Gesellschaft, die man ohne Probleme als ironischer Spiegel der gesellschaftlichen Realität Berlins verstehen kann.


    Ein exemplarisches Beispiel dafür, dass man die auch heute noch überzeugend ohne erhobenen Zeigefinger darstellen kann, liefert die vorliegende Einspielung der Mondfahrt-Operette „Frau Luna“ mit den Originaldialogen. Die im Jahre 2006 entstanden ist und bei cpo veröffentlicht wurde. Helmuth Froschauer leitet souverän das WDR Rundfunkorchester Köln und den Kölner Männer-Gesang-Verein und liefert mit Maria Leyer (Frau Luna), Ernst H. Hilbich (Pannecke), René Kollo (Prinz Sternschnuppe), Boris Leisenheimer (Fritz Stepke), Wolfgang Völz (Lämmermeier) u. a. eine mitreißende Interpretation und berlinerische Aromen.


    Interpretation: ****

    Klangqualität: ***

    Repertoirewert: ****

    Booklet: ****


    Kritik von Michael Pitz-Grewenig, 23.02.2024


    Paul Lincke: Frau Luna: Kölner Männergesangverein, WDR Rundfunkorchester, Helmuth Froschauer

    Label: cpo

    Anzahl Medien: 2

    Medium: CD

    EAN: 761203728527


    Quelle: https://magazin.klassik.com/re…81&REID=20587#detailinfos