Mit Verne und Vethake 2x in 80 Tagen um die Welt

  • In 80 Tagen um die Welt. Philips/Fontana


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    Cover-Quelle: www.jules-verne-hoerspiele.de


    Ausgaben:
    In 80 Tagen um die Welt, Eine abenteuerliche Reise. Philips LP: 843 787 QY (1966), Titelbild: Kurt Schmischke
    Reise um die Erde in 80 Tagen, Eine abenteuerliche Reise. Fontana LP: 6434 205, MC: 7240 427, Titelbild: [wahrschl.] Werner Kulle


    Länge: ca. 37.30
    Buch & Produktion: Kurt Vethake, Regie: Benno Schurr, Musik: [Titelmelodie: Big Band, Zwischenmusik: Uhrenticken]
    Sprecher: Heiner Schmidt (Philias Fogg), Claus Wilke (Passepartout), Frank Scholze (Fix, Detektiv), Werner Simon (Mr. Flanagan), Herbert Schimkat (Mr. Stuart), Gert Keller (Mr. Ralph), Kurt H. Welke (Konsul), Walter Prüssing (Sir Cromarty, Brigadegeneral), Kurt Reich (Parse), Ilona Wiedem (Aonda, junge indische Witwe), Hans Röhr (Schiffer), Rudolf Siege (Schaffner), Hannes Andersen (Colonel) , Peter Versten (Kapitän), Stefan Behrens (Zeitungsjunge), Wolfgang Reinsch (Erzähler)


    Ausgespielte Szenen / [Orig.-Kapitel in ()]: Seite 1: Im Reform-Club (3), Beim Konsul von Suez (6 Ende/7), Das Ende der Eisenbahnstrecke im indischen Dschungel (11 Ende), Die Prozession im Urwald / Die Befreiung Aoudas (12/13), In einer Kneipe Hongkongs (19). Seite 2: Fogg chartert ein Schiff im Hafen von Hongkong (20), Fix & Passepartout an Bord der 'General Grant' (25), Der Indianerüberfall auf die Eisenbahn (29/30 Anfang), Der Segelschlitten (30 Ende/31), Die Verheizung der 'Henrietta' (33), Fogg wird verhaftet (33 Ende/34 Anfang), Fogg ist wieder frei (34), Die Abendzeitung (35), Wieder im Reform-Club (36)

    Die sorgfältig produzierte Aufnahmen unter der Regie Benno Schurrs ist ein echter Schnelldurchlauf, denn nur die wesentlichsten Szenen des Buches wurden adaptiert und mit kurzen Überleitungstexten für den Erzähler verbunden. Vermutlich benutzte Vethake aber auch schon eine gekürzte Übersetzung als Textvorlage. Vergleiche der Dialogszenen mit diversen Buchfassungen lassen die historischen Ausgaben von Hartleben wie Weichert als Skriptgrundlage ausscheiden, die bekannten neueren Übersetzungen von Diogenes (1966) sowie Bärmeier & Nickel (1967) scheiden hingegen alleine schon wegen ihres gleichzeitigen oder späteren Veröffentlichungsdatum aus.


    Der Untertitel 'Eine abenteuerliche Reise' sowie die Titelillustration von Kurt Schmischke der Philips-Erstausgabe lassen indessen vermuten, daß sich Kurt Vethake bei der im auf Kinderliteratur spezialisierten Boje-Verlag veröffentlichten, gekürzten und ebenfalls von Kurt Schmischke bebilderten Ausgabe von In achtzig Tagen um die Welt. Ein abenteuerlicher Reiseroman (1965) bedient hat. Möglicherweise ist diese Textfassung auch identisch mit der mit dem gleichen Untertitel versehenden, von Emil Ernst Ronner neu erzählten und gekürzten Ausgabe von 1960 aus dem Vollmer-Verlag. Vielleicht besitzt der eine oder andere Forumsleser ja eine dieser Ausgaben und kann durch Vergleich mit dem folgenden Hörspiel-Dialog diese Vermutung bestätigen. Dabei wurde das erste Treffen Passepartouts mit Fix vor dem Konsulat sowie das Gespräch der beiden auf der 'Mongolia' zu einem Dialog zusammengefaßt, was aber nicht notwendigerweise schon bei der Vorlage so sein muß.


    "Verzeihen Sie, bin ich hier auf der der britischen Botschaft?"
    "Wollen Sie ihren Paß verlängern?"
    "Meinen nicht, aber den meines Herrn"
    "Zeigen Sie mal her!"
    - (Pfiff) - "Wo ist denn ihr Herr?"
    "An Bord geblieben."
    "Er muß aber persönlich auf dem Konsulat erscheinen, Mr. ...?"
    "Passepartout ist mein Name."
    "Sie sind Franzose?"
    "Ja, Sir. Aus Paris."
    "Aber ihr Herr kommt aus London, wie ich aus dem Paß ersehe."
    "Ja, Sir." "Das freut mich zu hören."
    "Sagen Sie, Sir, sind wir hier wirklich in Afrika? Ich habe mir eingebildet, unsere Reise ginge nur bis Paris, aber ich habe meine Heimatstadt bloß zwischen 7 Uhr 20 und 8 Uhr 40 zu sehen bekommen ... und zwar aus dem Fenster einer Droschke."
    "Ah, Sie haben es also sehr eilig!"
    "Ich nicht, aber mein Herr. Wir sind - äh - Hals über Kopf abgereist, ohne Koffer, nur mit einem Rucksack."
    "So, so - und wohin reist denn ihr Herr?
    "Um die Erde. In 80 Tagen (...)"


    Heiner Schimdt & Claus Wilcke sind als Fogg und Passepartout - wenn auch etwas unspektakulär - so doch durchaus kompetent bestzt, Walter Prüsssing als Schurr-Veteran überzeugt einmal mehr mit seiner herb-kräftigen Stimme in der Rolle eines tatkräftigen Menschen und wer Werner Simon dagegen mit seiner stark-akzentuierten Aussprache als Sir David Lindsay im Ohr hat und ähnliches in seiner Nebenrolle hier als englischer Gentleman erwartet, wird überrascht sein, daß der Mann auch normal sprechen kann und nicht nur wie ein frühes Double von Mel Sandock klingt. Der für komische Rollen prädestinierte Frank Scholze glänzt schließlich wie gewohnt, diesmal als Fix, obgleich man ihm durchaus auch einen vorwitzigen Passepartout zugetraut hätte.


    Kurt Vethake hat einige seiner in 60er Jahren produzierten Hörspiele nochmals aufgenommen. Dazu gehört auch 'In 80 Tagen um die Welt'. Im Gegensatz aber etwa zu den Karl-May-Philips-Produktionen 'Durchs wilde Kurdistan' und 'In den Schluchten des Balkan', die ebenso zunächst 1966 unter der Regie von Benno Schurr entstanden und die Vethake 1976 dann in Eigenregie für das Maritim Label nach dem gleichen Hörspielskript weitestgehend wortgetreu neu aufnahm, ist das 80-Tage-Remake aber nach einer völlig neuen Bearbeitung entstanden.

  • In 80 Tagen um die Welt. Maritim


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    Cover-Quelle: www.jules-verne-hoerspiele.de


    Ausgaben:
    In 80 Tagen um die Welt. Maritim, LP: 47 403 NW / MC: 48 207 UW (1976), Titelbild: Jürgen Rogner.


    Seite 1: 25:35, Seite 2: 26:35
    Regie und [ungenannt] Buch & Produktion: Kurt Vethake, Musik: [Drums & Pipes, Big Ben]
    Sprecher: Joachim Kerzel (Phileas Fogg), Peter Schiff (Passepartout, sein Diener), Heinz Rabe (Detektiv Fix), Sibylle Gilles (Aouda, eine Inderin), Rolf Marnitz (General Sir Francis Cromarty), Klaus Seibert [= Klaus Jepsen] (Bankdirektor), Uwe Paulsen (Ingenieur), Hans Mahlau (Seemann), Hans Schwarz [ungenannt] (Polizist), Rolf Marnitz [ungenannt] (Richter), Uwe Paulsen [ungenannt] (Zugbegleiter in Indien), Hans Schwarz (Zugführer in Amerika), Klaus Jepsen (Erzähler).


    Ausgespielte Szenen / [Orig.-Kapitel in ()] Seite 1: Im Reform-Club (3 - [1]/2 Anfang), Im Zug nach Paris (4 Ende - 2 Ende), Fix & Passepartout an Bord der 'Mangolia' (8/9 - 12/13), Im Bahnhof von Kalkuta (11 Anfang - 7 Anfang), Das Ende der Eisenbahnstrecke im indischen Dschungel (11 Ende - 7 Ende), Die Prozession im Urwald / Die Befreiung Aoudas (12/13 - 8/9), In Bombay / Die Gerichtsverhandlung (15 - 11), Fix & Passepartout an Bord der 'Rangon' (16 - 12 Anfang), In Hongkong, am Hafenkai (20 - 14), Vor dem Taifun (21 Mitte - 15 Mitte), Die Flagge auf Notruf! (21 Ende - 15 Ende). Seite 2: Ein Meeting in San Francisco (25 - 18), Die Eisenbahnbrücke / Der Indianerüberfall auf die Eisenbahn (28/29 - 20/21 Anfang), Der Eissegler (31 - 22 Anfang), Fogg wird verhaftet (33 Ende/34 Anfang - 23 Ende/24 Anfang), Wollen Sie mich zur Frau? (35 Ende - 24 Ende), Die Heirat ist unmöglich - Sonntags nie! (37 Anfang - 26 Anfang), Wieder im Reform-Club (36 - 25), Wenn Du nicht gewesen wärst ... (37 Ende - 26 Ende)


    Auffälligerweise fehlen trotz der längeren Spielzeit und des meist ausführlicheren Skripts gegenüber der Erstfassung einige der dort adaptierte Szenen, so die Visierung des Passes in Suez, der Besuch in der Hongkonger Kneipe und damit auch der Versuch von Fix, Passepartout ins Vertrauen zu ziehen, folglich gibt es auch keine Aussprache zwischen beiden auf der 'General Grant' und die Überfahrt von Amerika nach Europa sowie das Verheizen der 'Henrietta' wird, wie manch anderes auch, nur vom Erzähler vorgetragen. Im Gegensatz zur ersten Version aber läßt sich die Vorlage des Remakes leicht bestimmen, es ist die 1967 erschienende Übersetzung von Bärmeier & Nikel (bzw. Fischer). Wie alle Ausgaben dieses Verlages ist auch dieses Buch 'modernisiert' und eingekürzt, letzteres zeigt sich dann auch in einer verringerten Anzahl von Kapiteln, entsprechend sind in der obigen Szenenübersicht die Bärmeier+Nikel-Kapitel zusätzlich kursiv angegeben.


    Ein Großteil der Dialoge wird im Hörspiel nahezu wörtlich wiedergegeben - dabei freilich ohne Erzähltexteinschübe und oft auch nur auf die wesentlichen Sätze reduziert. Dazu zwei kurze Beispiele vom Anfang und Ende der Erzählung:


    Hörspielfassung: "(...) Und die Welt ist groß." - "Das war einmal." - "Ist die Erde etwa geschrumpft, Herr Fogg?" - "Ohne Zweifel. Nachdem man heute 10mal so schnell reist wie noch vor 100 Jahren." - "Braucht man heutzutage für einmal um die Erde nur noch 3 Monate?" - "80 Tage, Herr Ingenieur!"


    Bärmeier+Nikel-Übersetzung: "Die Welt ist groß." - "Das war einmal", sagte Fogg leise und laut: "Bitte abheben!" - Sie spielten schweigsam eine Runde. - "Ist die Erde etwa geschrumpft?" - "Ohne Zweifel. Man reist heute 10mal so schnell wie vor 100 Jahren. Das beschleunigt die Nachforschungen." - "Aber auch die Flucht des Diebes." - "Sie spielen aus, Herr Stuart", sagte Philias Fogg." - "Ein scherzhafter Einfall: Die Erde ist geschrumpft. Etwa weil man heutzutage in 3 Monaten rundherumkommt?" - Erst gewann Phileas Fogg ein Spiel, dann sagte er: "In 80 Tagen!"


    Hörspielfassung: "Lieber Fogg, wollen Sie zur Freundin, die ich Ihnen schon bin, auch eine Verwandte? Eine Frau?" - "Eine Frau? Wozu?" - "Zur Frau." - "Ja, ich liebe Sie. Ich gehöre Ihnen ganz."


    Bärmeier+Nikel-Übersetzung: "Lieber Fogg, wollen Sie zur Freundin, die ich Ihnen schon bin, auch eine Verwandte? Eine Frau?" - "Eine Frau? Wozu?" - "Zur Frau." - Fogg stand schneller auf als gewöhnlich. Seine Augen glänzten, seine Lppen bebten. er faßte an sein steinernes Herz. Wahrhaftig, es klopfte! Und wie! Der schöne, tiefe, warme Blick dieser frau hatte es zum Leben erweckt. Er schloß die Augen und sprach so leise, wie er noch nie gesprochen hatte: "Ja, ich liebe Sie. Ich gehöre Ihnen ganz."


    Mitunter besteht der Dialog in der Buchfassung aber auch kaum mehr als aus einem Satz oder eine Szene wird ganz und gar nur indirekt erzählt. In solchen Fällen werden den Sprechern dann Wörter oder Sätze aus Erzähltexten in den Mund gelegt. Auch dafür zwei Beispiele:


    Hörspielfassung: "Es gibt im ganzen Dorf kein Fahzeug mehr, kein Ochs', kein Esel, kein Pferd. Nur noch dieses Ungeheuer. (...)"


    Bärmeier+Nikel-Übersetzung: "Halt, halt!" schrie Passepartout und rannte der Karawane nach, die langsam im Urwald verschwand, "auch wir müssen mit." Aber kein Reisender, kein Ochs' und kein esel blickte sich nach ihm um.


    Hörspielfassung: "12 Uhr 30 ist es erst, wenn Mr. Fogg mit seinem Hosenboden das Sitzpolster seines Stuhles berührt. - Sehen Sie, da kommt er gerade. Erst gibt er Zylinder und Mantel ab und jetzt - Achtung ! ..." - (Die Uhr schlägt an) - "er sitzt! (...)"


    Bärmeier+Nikel-Übersetzung: Wenn sein maßgeschneideter Hosenboden die Sitzfläche des Stuhles berührte, schlug die Uhr 12; tat sie es nicht, stellte der Clubdiener sie nach.


    Der Ochs', der Esel und der Hosenboden sind dabei beispielhaft für die mitunter eingestreute flapsige Sprache, die generell ein Kennzeichen von Bärmeier-Übersetzungen ist und hier und da seltsame Stilblüten treibt. So findet sich auch der folgende, die englische Spleenhaftigkeit aufs Korn nehmender Satz aus der Übersetzung nahezu wortgetreu auch im Hörspiel. Nachdem Passepartout die Prinzessin Aouda gerettet hat, heißt es bei Bärmeier & Nikel: Der General drückte ihm bewegt die Hand und suchte in seiner Hosentasche nach einem Orden; aber er hatte keinen dabei. bzw. bei Vethake: (...) und General Sir Francis drückte ihm bewegt die Hand und suchte in seinen Hosentaschen nach einem Orden; aber ... er hatte keinen dabei.


    Die 'Ordenssuche' ist jedoch lediglich ein zusätzlicher Einfall des Übersetzers. Andere kleine derartige Scherze verlängert Kurt Vethake sogar. So fragt sich etwa die verstörte indische Prinzessin nicht gerade Verne-getreu, als sie schließlich in Begleitung zweier Europäer im Zug aufwacht: "Das ist doch nicht die Ewigkeit?" Im Hörspiel antwortet Fogg darauf sogleich schlagfertig: "Nein, das ist die Wirklichkeit!"


    Am skurrilsten ist aber vielleicht, daß in Vethakes Version Passepartout oft ein geflügeltes 'Lieblingswort' im Mund führt, welches man bei Verne vergeblich sucht. Bei jeder passenden Gelegenheit kann" sich Peter Schiff ein 'Merde' (zum Übersetzen bin ich jetzt zu höflich, im Hörspiel hört man es - im Gegensatz zu Vethakes 'geheimnisvoller Insel'- auch nicht auf deutsch) nicht verkneifen: "(...) und alle Fahrzeuge sind weg, merde!" oder "Merde, wofür - wir nicht können gebrauchen Aufenthalt" sowie "Merde! Da soll doch gleich (...)" heißt es da etwa während der Reise durch Indien. Auch dieses Wörtchen geht tatsächlich auf die Bärmeier-Übersetzung zurück, dort freilich findet es sich nur an zwei Stellen. Der 'Sündenfall' findet sich beim Kofferpacken, dort liest man kurz und bündig: (...) und fluchte in seiner Heimatsprache: "Merde, merde ..." Und dies nicht ganz ohne Berechtigung.


    Denn tatsächlich 'umschreibt' Verne indirekt diesen vulgären Ausdruck, freilich jedoch ohne diesen wortwörtlich zu benennen: (...) et employant une phrase assez vulgaire de son pays: "ah bien, se dit-il, elle est forte, celle-là ! Moi qui voulais rester tranquille ! ... " In der Hartleben-Übersetzung hat man die Stelle ganz entschärft: (...) und sagte mit einem in seiner Heimat üblichen Ausdruck: "Ei! Das ist stark! Und ich wollte ruhig leben! ..." Bei Diogenes hingegen entschied man sich für die getreu-vorsichtige Variante: Erst gebrauchte er einen ordinären Ausdruck aus seiner Heimat, und dann sagte er leise vor sich hin: "Also, das ist dann schon ein starkes Stück! So was! Und ich wollte endlich seßhaft werden! ..."


    Die zweite Textstelle in der Bärmeier+Nikel-Übersetzung ist hingegen ganz frei bearbeitet: "Merde, mein Hahn." meint Passepartout dort verdrießlich im Gespräch mit Fix am Kai von Suez. Eigentlich ist es aber der Teufel, der den kleinen Franzosen da in den Sinn kommt: "-diable ! C'est que je vais vous dire... il y a une chose qui me tracasse... c'est mon bec!" Genauso liest man es auch bei Hartleben: "Teufel! Das wollt' ich schon sagen ... es beunruhigt mich etwas ... Mein Hahn!" und Diogenes: "Teufel, Teufel! Ich muß Ihnen nämlich etwas verraten ... mich quält die Sache so ... mein Hahn!" Vielleicht aber schwirrte dem Bärmeier-Übersetzer ja auch eine Assoziation zu Karl Mays Teufelsanbeter, den Merd-esch-Scheïtan [wörtlich: Mann des Teufels] im Hinterkopf herum, sodaß er den Teufel in 'Merde' verwandelte.


    In Suez erinnerte sich Passepartout freilich nicht das erste Mal des offenen Gashahnes. Dieser fiel ihm schon während der Zugfahrt von London nach Dover ein. Doch während diese Erinnerung ihn selbst bei Bärmeier nur einen Schrei der Verzweiflung entlockt, hat Kurt Vethake diese Szene benutzt, um seinerseits dem französischen Diener erstmals die phrase assez vulgaire in den Mund zu legen:


    Merde, merde! Oh, ich große Esel sein. Merde!" - "Aber, Passepartout, so etwas sagt man nicht, so was denkt man nicht einmal. Was erregt dich denn so?" - "Ich habe vergessen zu schließen den Gashahn in meinem Zimmer!" - Wie man aber im Verlaufe des Hörspiels hört, hat die pädagogische Ermahnung von Joachim Kerzel freilich nicht viel genützt - jedenfalls aber ist es faszinierend nachzuvollziehen, wie eine 'freie' Übersetzung einer kleinen Stelle in einer bestimmten Buchausgabe zu einer typischen Redenart des kleinen Franzosen in dieser Aufnahme mutiert und sich überhaupt bei der Beabeitung einer Bearbeitung eine eigenständige Atmosphäre herausbildet - man kriegt direkt Lust, das Hörspiel zu transkribieren und dann vollständig mit der Bärmeier+Nickel-Übersetzung zu vergleichen.


    Auf jeden Fall verleiht Peter Schiff einmal mehr einer Vernschen Dienerfigur seine besondere, sehr glaubhafte Komik. Joachim Kerzel, der zur selben Zeit auch als Old Shatterhand bzw. Kara Ben Nemsi in einigen Karl-May-Produktionen Vethakes für das Maritim-Label mitwirkte (u.a. in der mit exakt denselben Sprechern besetzten Zwillingsproduktion Im Lande des Mahdi III), interpretiert den trocken-sympathischen englischen Lord ebenfalls untadelig - ein paar Jahre später sprach er übrigens nochmals in einer Vethake-Produktion, und zwar die Rolle eines englischen Oberst in dem zweiteiligen 'Sandokan'-Hörspiel.


    Rolf Marnitz hingegen präsentiert seinen Sir Francis mit etwas arg übertriebenen Akzent - aber dies gehört durchaus zu den typischen Kennzeichen einiger Vethake-Hörspiel-Adaptionen klassischer Abenteuerliteraturstoffe der späten 70er Jahren. Leider gilt dies auch für das etwas unterbesetzte Sprecherteam, sodaß einige der wohlbekannten Stimmen wieder einmal in Zweitrollen zu hören sind.


    Insgesamt gewertet ist die Aufnahme eine routinierte und unterhaltsame, dabei manchmal auch etwas locker formulierte Produktion, zu deren wenigen Schwachpunkten neben dem kleinen Sprecherkreis das weiter oben bereits angesprochene Auslassen einiger Szenen gehört - 10 Minuten und ein paar Sprecher mehr, und die Aufnahme wäre perfekt gewesen.


    Als Fazit bleibt deshalb festzuhalten: Ein Muß für Vethake-Fans, gute Unterhaltung für Verne-Fans, aber Verne-Textpuristen, denen die Bärmeier+Nikel-Übersetzungen generell als Vergewaltigung Vernes gelten, sollten dem Hörspiel entweder mit milder Nachsicht oder gar nicht begegnen.

  • Hi, Poldi!


    Nun ja, ich hatte schon immer die Diogenes-Ausgabe, dazu den französischen Text und seit kurzen auch die Hartleben-Ausgabe auf der Werke-CD. Nach diesen Textversionen war aber nicht nachzuvollziehen, warum Passepartout alias Peter Schiff auf dem Martim-Hörspiel ständig sein 'Merde' im Munde führt.


    Deshalb hat mich eigentlich schon interessiert, woher hier (und auch auf Vethakes 'Geheimnisvoller Insel') die Schei... kommt. Insofern habe ich mir in der Stadtbücherei die (u.a. im Verne-Handbuch) als gekürzt, modernisiert und mitunter kalauerhaft bewertete Ausgabe von Bärmeier & Nikel besorgt und wurde - auch bei der 'geheimnisvollen Insel' - entsprechend fündig. Auch die restlichen Dialoge gehen, wie schon in den Beispielen ersichtlich, eindeutig auf diese spezielle Übersetzung zurück, das gleiche gilt natürlich auch für die 'Insel', wo beispielsweise der ganze Anfangsdialog wortgetreu aufgegriffen wird.


    Insofern werde ich bei weiteren Rezensionen immer auch mal ein Auge darauf werfen, welche Übersetzung als Adaptionsgrundlage gedient hat, als nächstes werde ich mir wohl Vethakes 'Insel' (im Doppelpack mit der maritim-Produktion von Toyo Tanaka) vorknüpfen, aber auch bei den bereits rezensierten '5 Wochen im Ballon' werde ich nochmal nachschauen, welche Versionen dort benutzt wurden.

  • Danke, Olli!


    Du bist aber ja nun auch nicht gerade ohne. So viele nochwertige Rezis! Und seit Anfang des Jahres auch noch das 'Hörspiel des Monats' auf www.hoerspielwelten.de! In Punkto 'Quantität mit Qualität' macht dir so leicht keiner etwas nach.


    Ich werde hier demnächst allerdings die von dir im Januar äußert wohlwollend vorgestellte 'Geheimnisvolle Insel' doch ein ganz klein wenig kritisieren. Natürlich ist Vethakes Bearbeitung hervorragend, aber Eberhard Krugs Doppelrolle als Cyrus Smith und Kapitän Nemo - zumal beide Rollen unverstellt gesprochen und die zudem noch in einem Dialog Krug meets Krug gipfelt - ist mit dann doch etwas zu dreist, um sowas selbst dem guten alten Kurt unerwähnt durchgehen zu lassen. Doch davon bald mehr ....