Prozess gegen Saddam Hussein beginnt in Bagdad

  • Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen beginnt heute in Bagdad der Prozess gegen den irakischen Ex-Präsidenten Saddam Hussein.


    Am ersten Verhandlungstag sollen vor allem Verfahrensfragen geklärt und die Anklageschrift verlesen werden. Der Anwalt des früheren irakischen Machthabers will eine Verschiebung des Verfahrens "um mindestens drei Monate" beantragen. In dem ersten Verfahren geht es um ein Massaker in dem Schiitendorf Dudschail im Jahr 1982. Bei einer Verurteilung droht Saddam Hussein die Todesstrafe.


    Der Prozess wird in einem Gebäude der stark gesicherten "Grünen Zone" von Bagdad stattfinden. Aus Sicherheitsgründen bewahren die Behörden jedoch strenges Stillschweigen über den genauen Verfahrensbeginn und den geplanten Prozessverlauf. Auch die Namen der fünf Richter sind geheim. Anhänger des Ex-Diktators hatten im Vorfeld mit einer Welle der Gewalt gedroht.


    Saddam Husseins Anwalt Chalil el Dulaimi sagte der Nachrichtenagentur AFP, es gehöre zu den Rechten der Verteidigung, eine Verschiebung des Verfahrens zu verlangen. Er habe den angeklagten Ex-Staatschef am Dienstagabend getroffen und ihn über den Prozess unterrichtet. Alle Optionen seien offen.


    Dutzende Anhänger von Saddam Hussein gingen am Abend aus Solidarität mit dem früheren Machthaber in dessen Herkunftsort Tikrit und in der Ortschaft Dur nördlich von Bagdad auf die Straße. Sie führten Bilder des im April 2003 nach dem Einmarsch von US-Truppen im Irak gestürzten Präsidenten mit sich und riefen: "Nieder mit der verräterischen Regierung" sowie "Tod den ausländischen Agenten".


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  • Tag der Gerechtigkeit oder Siegerjustiz?


    Zweieinhalb Jahre nach Beginn des Irakkrieges gibt sich die US-Regierung betont zurückhaltend, was den Prozess gegen Saddam Hussein angeht. Der Eindruck einer Siegerjustiz soll auf jeden Fall vermieden werden.


    Scott McClellan, der amerikanische Regierungssprecher, gab sich ungewohnt ahnungslos. Nur Stunden, bevor in Bagdad der Mann vor Gericht stehen wird, den Präsident Bush einst als Gefahr für die Menschheit bezeichnete, ist der Prozess gegen Saddam Hussein für die amerikanische Regierung offiziell kein Thema. Als Reporter ungläubig nachfragen, fragt McClellan zurück: "Sie meinen das Verfahren gegen Hussein?" Präsident Bush habe darüber zuletzt nicht gesprochen. Es gebe andere Themen.


    "Jetzt muss das irakische Volk entscheiden"


    Mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn des Irakkrieges ist die Linie der US-Regierung klar: Zurückhaltung um jeden Preis. Der Eindruck, beim Prozess gegen Saddam könnte es sich um Siegerjustiz handeln, soll auf jeden Fall vermieden werden. Und was ist mit der Todesstrafe für Saddam: Was fordert der amerikanische Präsident? Scott McClellan winkt ab: "Wir haben Rechtshilfe geleistet, Experten geschickt, darüber hinaus muss jetzt das irakische Volk entscheiden durch das Sondertribunal."


    Menschenrechtsgruppen haben Zweifel an Verfahren


    Amerikanische, britische und australische Rechtsexperten und Gerichtsmediziner hatten die USA dem jungen irakischen Justizsystem zur Verfügung gestellt, ein Verbindungsbüro wurde in Bagdad eingerichtet, 75 Millionen Dollar im Vorfeld des Prozesses für die Beweissuche und die Vorbereitung des Verfahrens ausgegeben. Jetzt aber, so will es das Weiße Haus, sei Zurückhaltung geboten. Soll heißen: Kein öffentliches Wort des US-Präsidenten im Vorfeld des Verfahrens. Zumal Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch zuletzt ernsthafte Bedenken daran geäußert hatten, ein faires Verfahren gegen Saddam könne gewährleistet werden.


    "Traue nie einem Sondergericht"


    Der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark, der bereits im Juni ein sogenanntes Notkommitee für den Irak gegründet und sich selbst als Anwalt für Saddam angeboten hatte, hält den Prozess gegen den Ex-Diktator für eine Farce. Eine, die schon durch den Namen "Sondertribunal" offenbar werde: "Traue nie einem Sondergericht. Du erhälst keine Gleichheit vor dem Gesetz durch etwas, das besonders ist. Gleichheit ist die Mutter der Gerechtigkeit. "


    Michael Scharf sieht die Dinge anders. Er ist Rechtsprofessor, früherer Anwalt im US-Außenministerium und hat mitgeholfen, die Richter und Staatswanwälte auszubilden, die ab heute über Saddam Hussein Recht sprechen sollen. Er sagt, es wird ein faires Verfahren sein: "Es wird sicher Fehler geben, es wird gelegentlich zu einer Zirkusveranstaltung ausarten, aber am Ende wird Recht und Gerechtigkeit genüge getan werden."


    Forderung nach "Tod durch Strang" als Höchststrafe


    Kritikern, die ein internationales Tribunal für den Saddam-Prozess gefordert hatten, entgegnet der Rechtsprofessor, dass der internationale Strafgerichtshof in Den Haag nur Verbrechen verhandele, die nach dem Juli 2002 begangen worden seien. Und ein Tribunal unter Aufsicht der Vereinten Nationen war unter anderem daran gescheitert, dass Mitglieder der irakischen Übergangsregierung darauf beharrten, den Tod durch den Strang als Höchststrafe auch im Saddam-Prozess verhängen zu können. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen sowie die UNO und die EU hielten sich daraufhin zurück.


    Der Prozess gegen Saddam jedenfalls wird auch für die USA zur Messlatte für eine erfolgreiche Demokratisierung des Iraks. Und eines scheint schon jetzt sicher: Als freier Mann wird Saddam Hussein den Gerichtssaal wohl nicht verlassen, prognostiziert Rechtsprofessor Michael Scharf: "Wenn ich mir alle Beweise gegen Saddam anschaue, wäre ein Freispruch für mich und alle, die mit dem Verfahren befasst sind, eine echte Überraschung."



    Quelle: [URL=http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID4868528,00.html]http://www.tagesschau.de[/URL]Stand:
    19.10.2005 12:22 Uhr