Rücktritt von Wirtschaftsminister Wiesheu - CSU-Chef stellt sich heute auf kleinem Parteitag - Es gärt an der Basis
von Hans-Jürgen Leersch
München/Berlin - Putschgerüchte, schlechte Umfragen und jetzt noch ein Ministerrücktritt: Die Lage in der CSU wird immer verworrener. Parteichef Edmund Stoiber will sich auf dem heute in München stattfindenden Kleinen Parteitag dem in der CSU aufgestauten Unmut über seinen Rückzieher aus Berlin stellen. Die Stimmung in der Partei gilt zwar als hochexplosiv, aber eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag als sehr wahrscheinlich.
Die Lage in der CSU hatte sich am Wochenende durch die Rücktrittsankündigung von Wirtschaftsminister Otto Wiesheu dramatisch verändert. Wiesheu will in den Bahn-Vorstand wechseln. Der bayerische SPD-Landtagsfraktionsvorsitzende Franz Maget, bewertete den Rücktritt als weiteren Ansehens- und Autoritätsverlust für Stoiber. "Nach seinem Rückzug aus der Berliner Verantwortung bricht ihm nun seine Machtbasis in Bayern immer mehr weg", sagte Maget. Wiesheu ist seit Jahrzehnten einer der engsten Weggefährten von Stoiber und wichtige Stütze des Ministerpräsidenten im Kabinett.
Nach Wiesheus Angaben hatte er schon seit längerem Gespräche mit der Bahn geführt und auch Stoiber darüber unterrichtet. Mit den Auseinandersetzungen in der CSU habe sein Rückzug aus der Regierung nichts zu tun.
Daß die Nachricht vom bevorstehenden Wechsel ausgerechnet am letzten Wochenende in die Öffentlichkeit gelangte, hat gute Gründe. Seitdem wird in der CSU weniger über Stoibers Verhalten, sondern mehr über eine Kabinettsumbildung und Karrieremöglichkeiten spekuliert.
Denn Stoiber plant möglicherweise eine größere Umbildung seiner Staatsregierung. Wiesheu könnte durch Staatskanzleichef Erwin Huber ersetzt werden. Nach in München kursierenden Gerüchten sind auch Veränderungen an der Spitze des Umwelt- und des Landwirtschaftsministeriums zu erwarten. Möglich sei, daß Umweltminister Werner Schnappauf in die Staatskanzlei wechsle, hieß es. Landwirtschaftsminister Josef Miller könnte aus der Regierung ausscheiden und für einen jüngeren Politiker Platz machen. Stoiber ließ ankündigen, ein Nachfolger werde auf der Klausurtagung der Landtagsfraktion im Januar in Kreuth vorgestellt.
Schnappauf, der oberfränkischer Bezirksvorsitzender der CSU ist, forderte am Wochenende ein Ende der Debatte über Stoiber: "Wer jetzt noch eine Schippe drauflegt, schürt den Ofen des politischen Gegners", sagte der Umweltminister. Der Vorstand des oberfränkischen CSU-Bezirks sprach Stoiber am Wochenende das Vertrauen aus. Schnappauf berichtete, es habe zwar deutliche Kritik an Stoibers Verzicht auf das Berliner Ministeramt gegeben, aber man sei sich auch einig gewesen, daß die Diskussion damit beendet sein müßte.
Dennoch ging die Debatte um den CSU-Chef weiter. Der bayerische Vorsitzende der Union, Manfred Weber, sagte dem Magazin Focus: "Sollte die Unruhe an der Basis in einem halben Jahr nicht abnehmen, "muß in einem halben Jahr einer den Putsch wagen". Dieser "Putsch würde dann vermutlich aus der Landtagsfraktion kommen. Landtagspräsident Alois Glück wurde mit den Worten zitiert, wenn sich in den kommenden Monaten nichts verbessere, "wird es für den Edmund eng".
Nach einer angeblichen Geheimumfrage im Auftrag der CSU ist die Partei bei den bayerischen Wählern auf unter 40 Prozent abgestürzt. Bei der letzten Landtagswahl hatte die CSU noch 60,7 Prozent erhalten. Generalsekretär Markus Söder sagte dazu, diese Meldungen entbehrten jeder Grundlage. "Die CSU hat definitiv keine Umfrage in Auftrag gegeben." Söder wies auf Umfragen hin, die die CSU im Moment bei 50 Prozent sähen.
Stoiber will heute auf dem Kleinen Parteitag mit den Delegierten offen über sein Verhalten reden und vor allem für eine möglichst breite Zustimmung zum Koalitionsvertrag werben. Es wird eine mehrstündige Debatte erwartet. Stoiber bezeichnete die Vereinbarung zwischen Union und SPD als "exzellente Grundlage" für mehr Stabilität in Deutschland. Er werde alles tun, um die große Koalition zu unterstützen. Huber sagte, er erwarte eine breite Zustimmung der CSU. Der Staatskanzleichef sprach aber zugleich von bitteren Billen, die die Union habe schlucken müssen. Das seien die über das Wahlprogramm hinausgehenden Steuererhöhungen.