Kosmisch und komisch

  • 07.12.2006



    Junge Oper mit Offenbachs "Reise zum Mond" im Opernhaus

    Von Martin Mezger


    Stuttgart - Der Mond ist auch nicht mehr, was er mal war. Seit Neil Armstrong am 21. Juli 1969 "einen kleinen Schritt für einen Menschen und einen großen Schritt für die Menschheit" machte, ist der Erdtrabant endgültig entzaubert von Mondmännern, fabelhaften Palästen und astralen Prinzessinnen. Nur im Theater darf der lunare Zauber von einst fröhliche Urständ feiern - von Haydns "Welt auf dem Monde" bis zu "Peterchens Mondfahrt". Auch Jacques Offenbach schoss anno 1875 eine Bühnenrakete ins All, gezündet mit einer Story von Science-Fiction-Urvater Jules Verne. "Die Reise zum Mond" - seinerzeit ein großer Erfolg - dauerte damals geschlagene drei Stunden. Die Junge Oper der Stuttgarter Staatsoper hat das Operetten-Opus auf knapp anderthalb Stunden beschleunigt und startet mit der heutigen Premiere für Zuschauer ab sechs Jahren erstmals ins große Opernhaus.


    Die Regisseurin Aurelia Eggers und die Dramaturgin Barbara Tacchini haben die Dialoge neu geschrieben, der Komponist Willy Daum hat die Partitur bearbeitet, Elektronisches für Mondkönigin Popottes Allfunk und Geräuschhaftes für König Cosmos' Schnarchsonate eingebaut. Denn der Monarch im All will vor allem seine Ruhe haben, und dafür ist der Mond der rechte Ort. Gibt es dort doch keinerlei Gefühle, die einem das Seelenleben durcheinander bringen könnten. Nur haben die mondsüchtigen Schnarchsäcke die Rechnung ohne den Jungen Caprice gemacht, einen Gast von der Erde.


    Caprices Mondfahrt beginnt mit seinem Onkel Mikroskop, einer Art Daniel Düsentrieb der Luft- und Raumfahrtechnik. Kaum auf dem Trabanten angelangt verknallt sich Caprice in Mondprinzessin Fantasia. Aus besagten Gründen stößt er auf keinerlei Gegenliebe. Bis die Mondschöne von Caprices Apfel nascht. Schon empfindet sie paradiesische Gefühle ganz ohne Sündenfall, und auf dem Mond bricht die Apfelsucht aus.


    Das Interkosmische als Spiegel des Interkulturellen ist sozusagen die irdische Moral von der Geschicht': Es geht um die "Neugier aufs Fremde", erklärt Dramaturgin Tacchini, und naturgemäß geht es auch um das Erwachen zarter Gefühle. Aber zuvorderst will "Die Reise zum Mond" ein Theaterspektakel sein. In Marion Menzigers Bühnenbild mit Fernrohrblick und Orchester im Mondkrater werden keine bühnentechnischen Effekte gescheut - auch das ein Grund dafür, "dass die Kinder mal ins Opernhaus dürfen", wie Barbara Tacchini sagt.


    Die Premiere beginnt heute um 11 Uhr im Stuttgarter Opernhaus. Die nächsten Vorstellungen folgen morgen sowie am 14., 17. und 26. Dezember.


    http://www.ez-online.de/lokal/…fenster/Artikel800810.cfm

  • Zitat

    Original von Poldi
    :gruebel: Hm, ich habe es so in Erinnerung, dass "Reise zum Mond" von Offenbach nichts mit "Von der Erde zum Mond" & "Reise um den Mond" zu tun hat? :confused:


    im Prinzip richtig. Die Ausgangsidee ist aber trotzdem auf Vernes Romane zurückzuführen.


    B.

    :seemann: :baer:


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    I love you, you love me, ja wo lawe ma denn hi??

  • Zitat

    Original von Bernhard


    im Prinzip richtig. Die Ausgangsidee ist aber trotzdem auf Vernes Romane zurückzuführen.


    B.


    So, hab die Email von Volker gefunden:

    Zitat

    ...nein, die Operette hat nichts mit Vernes Romanen zu tun, nur die damaligen Bühnenbildner hatten sich an den Illus bedient. Verne selbst war wütend und hat ein Plagiat gewittert, allerdings zu Unrecht.

  • Mit Offenbachs "Reise zum Mond" lockt die Junge Oper erstmals Kinder ins Opernhaus


    Der Apfel, der Apfel verzaubert den Sinn

    War da nicht was? Auf dem gewölbten Bühnenboden wachsen hier gleich mehrere Bäume der Erkenntnis. Die Äpfel, die sie tragen, bringen Männer und Frauen, Himmel und Erde zusammen, und gemeinsam entdecken die solcherart Vereinten die Liebe. Doch Erkenntnis? Nein, die gibt es nicht.


    Da ist schon Offenbach vor. In seiner 1875 komponierten Oper "Die Reise zum Mond" wirbelt der die Bewohner der Erde und des Mondes mit ihren je eigenen Marotten so heillos durcheinander, wie es die Sterne im Abschlusscouplet auch tun: "Im All, im All die Sterne wirbeln hopp, hopp, hopp", heißt es in der (sehr) freien Bearbeitung, die Aurelia Eggers und Barbara Tacchini dem Stück angedeihen ließen, und Bernhard Epstein am Pult des 24-köpfigen Staatsorchesters, das in einer Art Vulkankrater auf dem Mond sitzt, macht der Musik derart Dampf, dass das junge Publikum begeistert mitklatscht, mitsingt und eine Zugabe nach der anderen fordert. Das ist fast wie im Musical.


    Aber Erkenntnis? Nein, die soll es hier nicht geben - weder für die denkwürdig stilisierten Figuren, die hier aneinander geraten, noch für das Publikum. "Die Reise zum Mond" ist einfach nur Unterhaltung. Sie zu beurteilen, fällt nicht schwer: Was auf der von Marion Menzinger lustvoll und bunt ausgestatteten Bühne unterhält, ist gut gemacht. Und das gut Gemachte, das Aurelia Eggers als Regisseurin verantwortete, findet sich auf der Szene, inmitten der skurrilen Kostümwelt von Moritz Junge, ebenso wieder wie im Spiel, im Gesang und in der Klangwelt, die Willy Daum mit exotischen Farben und Geräuschen anreicherte.


    Zwar sind der Bearbeitung etliche Personen des Stücks und auch der Chor zum Opfer gefallen, doch das schadet zumindest nicht der Übersicht. Kammermusikalisch klingt und wirkt hier jetzt alles, zwischendurch klingelt das königliche Telefon und kündet das Theremin, ein denkwürdiges Relikt früher elektronischer Zeiten, davon, dass auf dem Mond alles irgendwie anders zugeht als hienieden.


    Vor allem Kirsten Blaise, die als Zweitbesetzung die zur Premiere erkrankte Yuko Kakuta als Mondpronzessin Fantasia mit ihrem fein geführten Sopran gut ersetzte, kündete davon, dass in der merkwürdigen Welt, die Jules Verne schilderte und die Offenbach und seine Librettisten inspirierte, alles ganz anders ist. Fantasia langweilt sich nicht zuletzt deshalb, weil die Welt um sie herum nur künstliche Nahrung und vor allem keine Gefühle kennt. Ihr kommen die beiden spiel- und entdeckungsfreudigen Erdlinge Caprice (Hans Kittelmann) und Professor Mikroscope (Roderic Keating) gerade recht: endlich Abwechslung, endlich Gummibärchen!


    Gegen die Liebe wehren sich selbst die mondköniglichen Eltern Catriona Smith und Karl-Friedrich Dürr, ja wehrt sich auch der niedliche Mondhase Calista (Sandra Hartmann) vergebens. Sie alle versuchen"s allerdings zunächst mit Macht, und weil Christoph Sökler als Großer Wagen zudem mit dem Bollerwagen auch noch durchs bewegte Bild zieht, wird es dem jungen Publikum selbst im mutigen Zeitformat des 90-Minüters nicht langweilig. Was stört es da schon, dass es die schütter vertretene Eltern- und Lehrergeneration zwischendurch gerne mal ein bisschen ruhiger gehabt, dass sie gelegentlich gerne auch mal ein wenig unbehelligter Offenbach gelauscht hätte? Das Spiel wirbelt fort, und im All, im All, da wirbeln die Sterne. Susanne Benda

    Aktualisiert: 08.12.2006, 06:15 Uhr


    http://www.stuttgarter-nachric…11644?_suchtag=2006-12-08