Schlangenjagd (Skeleton Coast)

  • LESEPROBE


    Die dicken Steinmauern konnten ihre Schreie nicht verschlucken. Die Wände sogen die Sonnenhitze auf, bis die Steine zu heiß zum Anfassen waren, doch sie ließen Susan Donleavys gepeinigte Schreie durch das Gebäude hallen, als befände sie sich lediglich in der Zelle nebenan. Anfangs hatte sich Geoff Merrick gezwungen zuzuhören, als könnte die Tatsache, dass er Zeuge ihrer Leiden war, die Schmerzen der jungen Frau lindern. Unerschütterlich hatte er ihre durchdringenden Schreie eine Stunde lang ertragen und war jedes Mal zusammengezuckt, wenn sich ihre Stimme in derart gequälte Höhen hinaufschwang, dass es sich anfühlte, als würde sein Kopf davon jeden Moment zerspringen wie ein Kristall. Nun, während er auf dem Lehmfußboden seiner Zelle saß, presste er die Hände auf seine Ohren und summte laut vor sich hin, um ihre Schreie zu übertönen. Sie hatten sie kurz nach Tagesanbruch geholt, als das Gefängnis noch kein Glutofen war und das Licht, das durch das einzige glaslose Fenster hoch oben in der östlichen Wand hereindrang, noch eine gewisse Freundlichkeit ausstrahlte. Der Zellenblock maß mindestens zwanzig mal zwanzig Meter und war wenigstens zehn Meter hoch. Er war in zahlreiche Zellen aufgeteilt, mit Steinwänden an drei Seiten und Eisengittern an der vierten - sowie als Decke. Eine zweite und dritte Zellenreihe waren ringförmig um den Raum über ihm angeordnet und über eine schmiedeeiserne Wendeltreppe erreichbar. Trotz des offensichtlichen Alters der Anlage waren die Eisengitter so stabil wie in einem modernen Hochsicherheitsgefängnis.


    Noch hatte Merrick seine Peiniger nicht von Angesicht zu Angesicht gesehen. Sie hatten Skimützen getragen, als sie seinen Wagen kurz nach Verlassen des Laborkomplexes von der Straße gedrängt und ihn in dieses Höllenloch gebracht hatten. Es gab mindestens drei von ihnen, wie er an Unterschieden ihrer Gestalten erkennen konnte. Einer war groß und massig und trug nichts anderes als ärmellose Muskelshirts. Ein anderer war schlank und hatte hellblaue Augen, während der dritte daran zu erkennen war, dass er nicht so aussah wie die ersten beiden. In den drei Tagen nach ihrer Entführung hatten ihre Gefängnisaufseher kein einziges Wort mit ihnen gesprochen. Sie waren im Van, der ihre Wagen von der Straße gefegt hatte, bis auf die Haut ausgezogen worden und hatten dafür Overalls erhalten. Sämtlicher Schmuck war ihnen abgenommen worden, und anstelle von festen Schuhen mussten sie Badesandalen aus Gummi tragen. Sie erhielten zwei Mahlzeiten pro Tag, und Merricks Zelle hatte als Toilette ein Loch im Fußboden, durch das heiße Luft und Sand hereinwehten, wenn draußen Wind aufkam. Seit sie eingesperrt worden waren, hatten sich die Aufseher nur blicken lassen, um ihnen das Essen zu bringen. Dann hatten sie an diesem Morgen Susan geholt. Weil sich ihre Zelle innerhalb des Blocks in einer anderen Reihe befand, hatte Merrick nicht sicher sein können, aber es hatte geklungen, als hätten sie sie an den Haaren auf die Füße hochgerissen. Sie hatten sie dann an ihm vorbeigeschleift und durch die einzige feste Tür des Raums geschafft, eine dicke Eisenplatte mit Gucklöchern. Susan war bleich, in ihren Augen lag ein Ausdruck der Verzweiflung. Er hatte ihren Namen gerufen und war mit der Absicht, sie zu berühren, ihr ein Zeichen seines Mitgefühls zu übermitteln, zum Gitter geeilt. Aber der kleinste der Wächter hatte mit einem Polizeiknüppel gegen die Gitterstäbe geschlagen. Hilflos war Merrick zurückgewichen, während sie sie weggeschleift hatten. Indem er die Hitze abschätzte, die sich in dem Raum entwickelt hatte, nahm er an, dass seitdem vier Stunden verstrichen waren. Zuerst war es still gewesen, und dann waren die Schreie erklungen. Und jetzt durchlebte Susan gerade die zweite Stunde ihrer Foltern. Nachdem sie mindestens sechs Stunden lang mit verbundenen Augen geflogen waren, hatte Merrick nicht die geringste Ahnung, was hier überhaupt geschah. Er und Susan hatten sich in der Nacht flüsternd unterhalten und Spekulationen über die Absichten ihrer Entführer angestellt. Während Susan darauf bestand, dass es wegen seines Geldes passiert sein müsse und man sie nur deswegen gleich mit entführt hatte, weil sie eine Zeugin war, äußerte Merrick seine Zweifel daran. Er war nicht aufgefordert worden, sich mit irgendwem in seiner Firma in Verbindung zu setzen, um sich um die Beschaffung eines Lösegeldes zu kümmern, oder hatte irgendeinen Hinweis darauf erhalten, dass seine Leute überhaupt wussten, dass er und Susan noch am Leben waren. Zugegebenermaßen lag der Sicherheitskursus für das leitende Personal, an dem er teilgenommen hatte, schon einige Jahre zurück, aber er konnte sich gut genug daran erinnern, um zu erkennen, dass seine Entführer nicht dem gewöhnlichen Muster entsprachen.


    Und jetzt dies. Sie folterten Susan Donleavy, eine loyale, engagierte Angestellte, die nur wenig von der Firma wusste und auch sonst nicht viel mehr kannte als ihre Reagenzröhrchen und Bechergläser. Merrick erinnerte sich an ihr Gespräch vor ein paar Wochen über ihre Idee, Ölkatastrophen mit ihrem modifizierten Plankton zu Leibe zu rücken. Er hatte ihr nicht gesagt, dass ihre Ziele zwar ein wenig hochgesteckt waren, dass ihr Konzept jedoch reichlich exotisch anmutete. Sein gesamter Kommentar über Rache als großer Motivator war nicht mehr als hohles Gewäsch gewesen, eine Standardrede, die er schon Hunderte von Malen in hundert verschiedenen Variationen gehalten hatte. Sie wäre besser beraten gewesen, ein Kindheitstrauma unter Aufsicht eines Psychiaters und nicht in ihrem Labor zu verarbeiten. Der Gedanke an ihr Projekt ließ ihn auch sämtliche anderen Forschungspläne durchgehen, die im Augenblick bei Merrick/Singer in Arbeit waren. Seit er in der Zelle gelandet war, hatte er das schon des Öfteren getan. Aber da war nichts, absolut nichts, das eine solche Tat rechtfertigen würde, wenn es sich um einen Fall von Industriespionage handeln sollte. Es gab nichts Neues oder gar Revolutionäres, das sie sich in absehbarer Zeit patentieren lassen wollten. Tatsächlich hatten sie kein wirklich einträgliches Patent mehr erworben, seit Dan Singer ihre Anlagen zur Schwefelabsorption auf den Markt gebracht hatte. Die Firma war für ihn zur Zeit eigentlich nichts anderes als ein Prestigeobjekt, um auf dem Gebiet der Chemieforschung präsent zu sein und weiterhin als Redner zu Symposien eingeladen zu werden. Die Schreie verstummten. Sie wurden nicht allmählich leiser, sondern sie brachen abrupt ab. Und die Vermutungen, die sich aus der plötzlich einsetzenden Stille ergaben, waren noch viel entsetzlicher. Geoff Merrick sprang auf und zwängte sein Gesicht so zwischen die Eisenstäbe, dass er einen Teil der Tür zum Zellenblock erkennen konnte. Ein paar Minuten später wurden die Riegel zurückgeschoben und die schwere Stahltür schwang knarrend auf. Sie mussten sie hereinschleifen, die Arme um die Hälse zweier Wächter geschlungen, während der dritte ein Schlüsselbund in der Hand hielt. Als sie näher kamen, konnte Merrick in Susan Donleavys Haaren Spuren von getrocknetem Blut erkennen. Ihr Overall war am Hals aufgerissen, und die Haut ihrer Schultern und ihres Brustansatzes war stark gerötet. Sie schaffte es, den Kopf zu heben, als sie an seinem Käfig vorbeigeschleppt wurde. Es verschlug Merrick den Atem. Ihr Gesicht war völlig entstellt. Ein Auge war zugeschwollen, während sie das andere kaum aufbekam. Blut und Speichel sickerten in schmalen Rinnsalen von ihren aufgesprungenen Lippen herab. Ein letzter Rest Leben flackerte noch in ihrem Auge, als sie ihn ansah. »Gütiger Himmel, Susan. Es tut mir so leid.« Er versuchte gar nicht erst, gegen seine Tränen anzukämpfen. Sie war in einem derart bemitleidenswerten Zustand, dass er auch geweint hätte, wenn sie eine völlig Fremde gewesen wäre. Dass sie aber eine Angestellte war und er irgendwie die Verantwortung für das trug, was man ihr angetan hatte, zerriss ihm das Herz. Sie spuckte einige Brocken roten Schleims auf den Steinboden und krächzte: »Sie haben mir noch nicht einmal irgendwelche Fragen gestellt.« »Ihr Schweine!-, brüllte er die Wächter an. »Ich zahle jeden Preis, den ihr verlangt. Ihr braucht sie nicht zu quälen. Sie ist unschuldig.« Sie hätten ebenso gut taub sein können, denn sie zeigtenkeinerlei Reaktion auf seinen Wutausbruch. Sie zerrten sie einfach aus seinem Sichtfeld. Er hörte, wie ihre Zellentür geöffnet wurde und die Männer sie brutal hineinstießen. Die Eisentür wurde krachend zugeschlagen und verriegelt. Merrick beschloss, sich mit aller Kraft zu wehren, wenn sie zum ihm kämen, um ihn zu holen. Wenn er gefoltert werden sollte, dann wollte er ihnen wenigstens auch noch Schmerzen zufügen. Er wartete in seiner Zelle auf sie, die Fäuste geballt und bereit zu einem verzweifelten Angriff. Der kleinste Wächter - es war der mit den blauen Augen - erschien. Er hielt etwas in der Hand, und ehe Merrick erkennen konnte, was es war, oder reagieren konnte, schoss der Wächter. Es war ein Tazer, der fünfzigtausend Volt in seinen Körper pumpte und sein Nervensystem in einer Schmerzexplosion lahmlegte. Merrick wurde eine Sekunde lang völlig starr, dann brach er zusammen. Als er das Bewusstsein wiedererlangte, hatten sie ihn bereits aus der Zelle geschafft und befanden sich auf halbem Weg zur Tür des Zellenblocks. In dem Schmerzinferno nach dem elektrischen Schlag hatte er jeglichen Kampfeswillen verloren

    :P


    Lobo





    Glück ist das einzige was sich verdoppelt, wenn man es teilt[SCHILD=random]der beste Lobo der Welt [/SCHILD]

  • Zitat von "Dave"

    ha Zek da stimme ich Dir voll zu
    wieviel Autoiren hat Clive eigentlich ?


    Dirk Cussler und Jack de Brul und Paul Kemprecos

  • Zitat von "Lobo"

    Was haltet Ihr vom Text?


    Ich habe soeben das Buch in meinen Händen. Sieht super aus und der Text tönt spannend.

  • Zitat von "Dirk Pitt"

    Ich habe soeben das Buch in meinen Händen. Sieht super aus und der Text tönt spannend.


    schon in Deutsch?

    :P


    Lobo





    Glück ist das einzige was sich verdoppelt, wenn man es teilt[SCHILD=random]der beste Lobo der Welt [/SCHILD]

  • Zitat von "Lobo"

    schon in Deutsch?


    ja sicher! War ja eine Weltbild Vorab-Premiere. Ohne Ankündigung direkt auf den Markt.

  • Zitat von "klamak"

    Macht man doch auch in der Familie....


    Ich habe bezahlt und er hat es besorgt. Die Frage ist nun, wer das Buch zuerst lesen darf... ;)