2005 / 05 Mike Oldfield: Amarok (1990)

  • Mike Oldfield
    Amarok (1990)


    [asin]B00004T9AT[/asin]


    Genre: Pop / Folk / Rock / Meditation / Chaos :D
    Gesamtzeit: 60:04
    Titelanzahl: 1


    [01] Amarok (60:02)


    Man wird „Amarok“ vermutlich in Bezug zu vier anderen Oldfield-Alben setzen müssen, um den tieferen Sinn zu verstehen, daher seien sie und ihre Bedeutung zu Beginn aufgezählt.
    1973 erschien mit „Tubular Bells“ das wohl erfolgreichste Debüt aller Zeiten. Mike Oldfield, zum Zeitpunkt der Komposition gerade mal 17 Jahre alt, hatte gemeinsam mit seinen beiden Mentoren, Simon Draper und Richard Branson, lange vergeblich versucht, einen Plattenvertrag mit diesem obskuren Werk zu bekommen. Nach einiger Zeit gründete Branson dann sein Label Virgin und warf als erstes Opus diese Scheibe auf den Markt. Nach dem gigantischen Erfolg wurde Oldfield vertraglich gleich für zehn (!) weitere Alben an Virgin gebunden, eine Zahl, die einige Zeit später auf dreizehn (!!!) erhöht wurde..
    1975 erschien mit „Ommadawn“ Oldfields drittes Werk, experimentell, heiter und bei weitem erfolgreicher als das zweite Album „Hergest Ridge“. Besonders fielen hier die afrikanischen Elemente auf, die dem Album einen Beigeschmack von „Weltmusik“ gaben.
    1983 kam Oldfields zweitgrößter kommerzieller Erfolg auf den Markt, das Album „Crises“. Die Musik hatte sich verändert, seit vier Jahren war es mit den langen Epen vorbei; nicht zuletzt auf Druck von Virgin komponierte er ebenfalls Popsongs. So war es bereits seit 1979 zu seinem Standard geworden, eine Seite seiner Alben mit einem langen Stück zu füllen, während sich auf der „anderen Seite der Medaille“ potentielle Singles befanden. „Crises“ sorgte mit den Singles „Moonlight Shadow“, “Shadow On The Wall“ und “Foreign Affair” dafür, daß sich das Album sehr gut verkaufte. Gleichzeitig war dieses Album der Auslöser eines noch viel größeren Drucks – Virgin wollte „Moonlight Shadow II“ haben.
    Diesem Druck hielt Mike Oldfield schließlich nicht mehr stand und so kam es zu einem besonderen Geschäft: Oldfield, der sich immer mehr von Virgin im Stich gelassen fühlte, stimmte zu, ein komplett kommerzielles Album mit potentiellen Singles abzuliefern, sofern man ihm die Gelegenheit gab, im Gegenzug ein Album ganz nach seinem Geschmack einzuspielen. 1989 erschien daraufhin mit „Earth Moving“ sein Pflichtteil. Das Album verkaufte sich anständig und Richard Branson, der insgeheim hoffte, ein „Tubular Bells II“ oder zumindest „Ommadawn II“ geliefert zu bekommen, sah sich 1990 plötzlich mit „Amarok“ konfrontiert, das er nun wiederum ohne Murren auf den Markt bringen mußte. Was genau bei Virgin hinter den Kulissen lief, ist vermutlich nur Oldfield, Draper und Branson bekannt. Gesichert sind nur zwei Dinge: a) Oldfield war sauer und b) Oldfield wollte lieber heute als morgen bei Virgin von der Leine. Und beides kann man aus „Amarok“ ableiten.
    Was er hier ablieferte, grenzte aus Sicht von Virgin nämlich an eine pure Frechheit. Zunächst mal war es nur ein einziges (!) Stück von gut 60 Minuten Länge. Und zum anderen plünderte er hier sein Ideenarchiv so gründlich, wie man es sich nur vorstellen kann. Er scherte sich einen feuchten Kehricht darum, ob etwas radiotauglich war oder nicht. Mehr noch – er zerhackte Stücke, flocht Allerweltsgeräusche ein und sprang fröhlich und so schnell von einer Idee zur nächsten, dass es schlicht unmöglich war, einen Teil von „Amarok“ als eigenständige Single auszukoppeln, wie man es seinerzeit mit dem Eröffnungsthema von „Tubular Bells“ gemacht hatte. Innerhalb von nur fünf Minuten überschüttet er einen geradezu mit unterschiedlichen Themen, mal meditativ ruhig, bevor er wieder mit brachialer Gewalt und schrägen Tönen von dannen zieht. Dort, wo es dem geneigten Ohr vielleicht zu ruhig vorkommen könnte, platzierte er Geräusche von sich selbst, gähnend, kinnkratzend, zähneputzend oder Staubsauger anschmeißend. Dann unvermittelt wieder rasende Gitarren, elektrisch verzerrte Zwischenspiele, zerschmetternde Gläser, Hammer und Eimer, Fingernägel, Hundespielzeug, Schuhe, Türen, Modellflugzeugbausätze … es gibt praktisch nichts, was er nicht irgendwie verwertet hat. Er trieb sein Spiel sogar so weit, dass er extreme Lautstärkeschwankungen eingearbeitet hat, allein um Virgin-Weggefährten Simon Draper zu ärgern, der in seinem Wagen gerne die Musik bis zum Anschlag aufdrehte, um sie voll genießen zu können. Bei den unvermittelten Gitarren-Einsätzen über einer besonders leiser Stelle dürften ihm die Boxen weggeflogen sein und an einer Position, an der ein sich immer schneller wiederholender Ton mal nur auf dem linken, mal nur auf dem rechten Lautsprecher zu hören ist, wird er ziemlich genervt ausgesehen haben. Speziell für Richard Branson arbeitete Oldfield in eine besonders leise Passage einige heftige Gitarren-Staccatos ein, die man, sofern des Morse-Alphabets mächtig, als „FUCK R. B.“ entziffern kann.
    Also nur ein Album zum Virgin-Ärgern? Nicht doch. Mike Oldfield zeigt sich bei diesem Album so kreativ wie schon lange nicht mehr – wie gesagt: er räumte sein Ideenarchiv, und das bedeutet, dass es vieles zu entdecken gibt. Kaum ein Thema dauert länger als 90 Sekunden, immer tut sich etwas, man kann wunderschöne, fast schon meditative Passagen entdecken, Folkansätze, Rockthemen, Popideen, Anflüge von Jazz, die im Zeitraffer vorüberziehen und bei denen man sich immer wünscht, er würde sie noch weiter ausbauen (was er bei einigen auch tatsächlich tut, allerdings meistens erst in einer anderen Passage und dann auch noch in einer anderen Tonart), dazwischen schräger Humor und ungewöhnliche Einfälle … und das alles in handwerklicher Perfektion. Fast alle Instrumente (im Booklet werden immerhin 60 Instrumente / Utensilien genannt) wurden von Mike Oldfield in gewohnter Präzision solo eingespielt, lediglich bei Gesang, Flöten und einigen afrikanischen Instrumenten holte er sich Verstärkung – und was für eine, immerhin zieht er für die letzte Viertelstunde musikalisch komplett nach Afrika, bringt mitreißende Rhythmen zu Gehör und organisiert schließlich noch einen kompletten Chor, der mit ihm das Finale bestreitet. Dazu kommt bei diesem Album ein deutlich hörbarer Spaß, der sich durch das komplette Werk zieht. Die verträumte Melancholie, die man früher vielleicht mal in Oldfields Stücken hören konnte, blieb vollkommen außen vor – hier tobt er sich musikalisch aus wie ein kleines Kind auf einem Spielplatz, völlig unbekümmert reiht er scheinbar spontan Sachen aneinander, die ihm Spaß machen und bei denen er sich nicht darum schert, was andere davon halten.
    Klar – beim ersten Hören wird man sich spätestens nach dem dröhnenden Abschluß fragen „Was in aller Welt war das denn?“ Es ist das unkommerziellste Album, das Mike Oldfield bislang eingespielt hat. Mit Sicherheit das chaotischste und fröhlichste, höchstwahrscheinlich aber auch das genialste, denn hier kann man selbst nach dutzendfachem Hören immer noch Neues entdecken. Sofern man sich auf die Spielwiese „Amarok“ einlässt.



    - Mike Oldfield wurde am 15. Mai 1953 im englischen Reading geboren. Er ist Halb-Ire.
    - Seine Geschwister heißen Terry (*1949) und Sally (*1947). Beide sind ebenfalls musikalisch aktiv – Sally als Sängerin, Terry als Multi-Instrumentalist und Komponist, u. a. für Soundtracks.
    - Das Elternpaar Oldfield (Maureen und Raymond) war eher mäßig musikalisch veranlagt. Raymond besaß eine Gitarre, konnte aber – nach Aussage von Mike – nur ein einziges Stück spielen: „Danny Boy“.
    - Sein Elternhaus verließ Klein Mike mit 13 oder 14 Jahren nach einem Streit wegen seiner langen Haare. Um falschen Eindrücken vorzubeugen – bereits vorher stand es um den Haussegen nicht sonderlich gut. Mike Oldfield hatte sich immer wieder in die Musik zurückgezogen, um diesen Streitigkeiten aus dem Weg zu gehen.
    - Mike Oldfield verließ die Schule 1967, um mit seiner Schwester ein Folk-Duo zu gründen. „The Sallyangie“ legten gerade mal eine einzige Single und ein Album vor („Children Of The Sun“, 1968), das allerdings kein großer Erfolg wurde. Nachdem sich sowohl Sally wie auch Mike als Solisten einen Namen gemacht hatten, stiegen die Preise für Schwarzpressungen dieses Album zeitweise in den dreistelligen DM-Bereich. Erst Mitte der 90er Jahre wurde das Album auch auf CD aufgelegt, zu einem Schleuderpreis. Seit 2002 gibt es eine erweiterte Edition dieses Albums, bei der auch bislang unveröffentlichte Aufnahmen des Duos ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden.
    - 1969 fiel „Sallyangie“ auseinander, Mike Oldfield gründete mit Bruder Terry die Formation „Barefoot“, landete allerdings nach einigen Problemen schließlich als Bassist bei Kevin Ayers (Ex-Soft Machine) und seiner Band „The Whole World“. Dort blieb er bis zur Auflösung der Formation 1971. Bei dieser Band spielte ebenfalls David Bedford; beide Musiker unterstützten sich hauptsächlich in der Anfangsphase ihrer Karrieren (bis ca. 1976), indem jeder auf den Alben des anderen auftauchte.
    - Vor dem Erfolg von „Tubular Bells“ 1973 arbeitete Mike Oldfield als Sessionmusiker und als Reservegitarrist für das Musical „Hair“.
    - „Tubular Bells“ hielt sich 247 Wochen in den britischen Albumcharts, davon eine ganze Zeit auf Platz 1. Das Album, das „Tubular Bells“ schließlich von Platz 1 vertreiben konnte, war Mike Oldfields 1974er Nachfolger „Hergest Ridge“. Das Album, das „Hergest Ridge“ von Platz 1 vertrieb, hieß „Tubular Bells“.
    - Mike Oldfield beugte sich dem Druck Virgins nach kommerziellerer Musik erstmals, als er 1978 nach einer selbst finanzierten Tour zum Album „Incantations“ zurückkehrte (Live-Mitschnitt „Exposed“, 1979), die zwar künstlerisch ein voller Erfolg war, finanziell jedoch ein Desaster wurde. Man sollte sich über die Eintrittpreise ein paar Gedanken machen, wenn man mit 50 Leuten auf Tour geht
    - Mike Oldfield ist begeisterter Flieger; ursprünglich nur Modellflieger, später erwarb er jedoch die Pilotenlizenz. Der Song „Five Miles Out“ aus dem gleichnamigen Album basiert auf einer wahren Begebenheit, bei der Oldfield selbst um sein Leben bangen musste.
    - „Moonlight Shadow“ thematisiert offensichtlich den Tod von John Lennon. Dieser Titel wurde – wie „Foreign Affair“ - von Maggie Reilly gesungen, die später noch auf weiteren Singles zu hören war („To France“), bevor sie sich von Oldfield lösen und Soloerfolge feiern konnte.
    - Der Soundtrack zum Film „Der Exorzist“ ist eigentlich eine Mogelpackung. Während des Films laufen nur wenige Minuten Musik, wobei das eingängigste und auffälligste das Eröffnungsstück von Mike Oldfields „Tubular Bells“ ist. Mike Oldfield hat dieses Stück jedoch nicht für den Film komponiert. Die einzige reguläre Soundtrack-Arbeit, die er bislang abgeliefert hat, war die Filmmusik zu „The Killing Fields“, 1984 (dt. „Schreiendes Land“).
    - Mike Oldfield interessiert sich für neue Medien. Mitte der 80er Jahre strebte er eine Fusion aus Musik und Videokunst an, leider jedoch erfolglos. Mittlerweile konzentriert er sich auf die Möglichkeiten, die ihm die Computer bieten – allen voran der Macintosh. Auch im Internet ist er heutzutage ziemlich aktiv, dazu unter dem nächsten Punkt noch mehr.
    - Mike Oldfield gilt als schon fast krankhaft scheu. Der Rummel um seine Person war ihm anfangs gar nicht Recht, so dass er sich in Drogen- und Alkoholexzesse flüchtete. Nach mehreren Therapien scheint es ihm heute besser zu gehen; immerhin gibt er sich bei Interviews nicht mehr so verschlossen wie früher. Da er sich gerne von der Außenwelt abschottet, ist über sein Liebesleben auch nicht sonderlich viel bekannt. Man weiß von einer Ehe mit einer gewissen Diana Fuller, die sich sage und schreibe über einen Monat des Jahres 1978 hinzog, „ehe“ sie wieder geschieden wurde. Der Künstler will sich geschworen haben, nie wieder zu heiraten. Die bislang längste Beziehung unterhielt er zu Ex-Virgin-Mitarbeiterin Sally Cooper, mit der er drei Kinder zeugte (Molly *30. November 1979, Dougal *1981, Luke *11. April 1986). Diese Beziehung ging in die Brüche, als er Anita Hegerland kennen lernte, damals eine norwegische Schauspielerin und Sängerin (vielleicht erinnert sich der eine oder die andere noch an die Kleine, die gemeinsam mit Roy Black lauthals „Schön ist es, auf der Welt zu sein“ schmetterte). Nach vier Jahren und zwei Kindern (Greta Marie *April 1988, Noah Daniel *1990) endete die Beziehung 1991. Nach einer wilden Partyzeit auf Ibiza in den 90er Jahren konnte man ihn kurzfristig in Begleitung einer Deutschen mit Vornamen Miriam entdecken. 1999 lernte er die damals 22jährige Belgierin Fanny Vandekerckhove kennen, was eine heiße Liebe sein muß; der Stern berichtete 2001 davon, dass die Polizei bei Oldfields vorfahren musste, weil der Streit um das letztes Bier im Kühlschrank eskaliert sei … weiterhin berichtet die Boulevard-Presse von einer heimlichen Hochzeit der beiden im April oder Mai 2003. Fanny kümmert sich übrigens mittlerweile überraschend effektiv um den Internetauftritt ihres Gemahls und zerrt ihn offensichtlich hin und wieder hinter die Tastatur, auf dass er sich in seinem eigenen Forum auch mal zu Wort melde.
    - „Amarok“ war ursprünglich als „Ommadawn II“ geplant, daher scharte Oldfield alle Musiker und Helfer, die ihn damals bei seinem Album unterstützt haben, erneut um sich. Tatsächlich weisen beide Alben einige Parallelen auf, wenn auch „Ommadawn“ bei weitem nicht so eigen geraten ist wie „Amarok“.
    - Der Name „Amarok“ soll darauf zurückgehen, dass Mike Oldfield seinen eigenen Trends folgen wollte. Oder, wie man es auch sagen könnte: „I am a rock!“ („Ich bin ein Fels!“)
    - Selten waren sich Kritiker und Fans so uneins über ein Oldfield-Album wie bei „Amarok“. Obwohl das Album in Deutschland sogar auf Platz 16 vorrückte (vermutlich deshalb, weil „Earth Moving“ sich einige Zeit in Deutschland auf der 1 halten konnte), waren die Verkäufe des Albums vergleichsweise schlecht. Wie Richard Branson vermutet haben dürfte. Was Mike Oldfield jedoch egal gewesen sein könnte.
    - Während Oldfield auf den Vorgängeralben „Islands“ und „Earth Moving“ mit moderner Technik arbeitete (darunter auch mit einem Atari ST), verzichtete er bei „Amarok“ auf den Computereinsatz und setzte sogar die Synthisizer nur sehr spärlich ein. Einige Wochen nach der Veröffentlichung von „Amarok“ zeltete er tagelang schlagzeilenträchtig im Garten vor seinem Haus, um seine Unabhängigkeit von der modernen Technik zu demonstrieren. Ironischerweise kehrte er 1991 zunächst Virgin den Rücken und anschließend dieser Ansicht, denn 1992 erschien mit „Tubular Bells II“ bei Warner ein Album, das hauptsächlich im Computer entstand. Bis 2003 verließ sich Oldfield immer stärker auf die Fähigkeiten der Rechner und konzipierte sogar mehrere Programme. Aller Voraussicht nach wird das 2005 erscheinende Album ebenfalls sehr computerlastig werden, immerhin sieht sein Plattenvertrag noch ein Chillout-Album vor. Ob der Vertrag bei Time Warner danach verlängert wird, steht bislang noch nicht fest.

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