Triangel: Ein Tor zur Welt

  • Triangel, Ausgabe März 2005, Radio-Zeitung von MDR Figaro


    Auf insgesamt 29 Seiten gibt es das Interview "Ein Tor zur Welt" mit Prof. Elmar Schenkel von Thomas Fritz. Außerdem wird berichtet über die Messe in Leipzig mit der neuen Hörspielproduktion "In 80 Tagen um die Welt" von Stefan Dutt. Sehr viele Bilder.


    Ein Probeexemplar gibt es gratis, und zwar hier: http://www.mdr.de/mdr-figaro/programm/129509.html


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    Rückseite:


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  • Und hier sind Auszüge aus dem Interview:


    Thema "Jules Vernes" | FIGARO | Manuskript-Download
    Ein unzeitgemäßer Zeitgenosse seiner eigenen Zeit
    Ein Gespräch mit Professor Elmar Schenkel, Leipzig (Auszug)
    von Thomas Fritz
    Für TRIANGEL befragte der MDR-Hörspieldramaturg Thomas Fritz den Leipziger Anglisten Professor Elmar Schenkel über den "Vater der Science-Fiction-Literatur". Den kompletten Beitrag können Sie in unserem TRIANGEL-Programmheft Ausgabe 03/2005 oder in dem Manuskript nachlesen (Download im PDF-Format).

    Wo, meinen Sie, Herr Professor Schenkel, sollte man nach den Gründen dafür suchen, dass die realen technischen Innovationen des 20. Jahrhunderts ihrer literarische Antizipation so wenig haben verblassen lassen?


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    Erzähler, Lyriker und Essayist Prof. Elmar Schenkel


    Der Außenseiter ist der Sieger
    Zunächst mal, was den Prognosecharakter angeht, so hat Jules Verne oft nur Dinge verlängert, die schon erfunden waren, auch das U-Boot gab es schon länger. Nur: das U-Boot so einzusetzen, dass es um die Welt fährt, und dass das Interieur, das Wohnzimmer des 19. Jahrhunderts mitschwimmt, inklusive Raucherzimmer, samt der Bibliothek des Kapitän Nemo, da kommen Aspekte hinzu, die über das rein Technische hinausgehen. Aspekte, die damit zu tun haben, dass seine Helden einfach auch interessant sind. Kapitän Nemo ist ja interessant nicht deshalb, weil er ein Verkünder von neuer Technik ist.


    Er beherrscht sie zwar, aber er ist eben auch ein Anarchist. Und das ist bei vielen Figuren von Jules Verne so. Sie sind eigentlich selber schon wie Geschosse, die aus der Gesellschaft rausgeflogen sind, die zum Mond fliegen, im übertragenen Sinn. Und insofern ist bei ihm der Außenseiter sozusagen der Sieger, zumindest zeitweise. Der Außenseiter ist der Starke, das ist fast so etwas wie Harry Potter, oder Aschenputtel. Dieses Motiv könnte eine Rolle spielen.

    Eine gut erzählte Geschichte mit einer Prise Humor
    Und dann, er erzählt seine Geschichten eben auch sehr gut. Man darf zum Beispiel seinen Humor nicht unterschätzen, oder wie er Figuren charakterisiert, das hält den Leser auch bei der Stange. Und er ist sehr vielseitig, es kommen immer wieder neue Abenteuer. "Fünf Wochen im Ballon" etwa, da gibt es jeden Tag irgendein neues Abenteuer, da kommen Eingeborene, die mit Pfeil und Bogen schießen, oder Medizinmänner, die einen Hexentanz vollführen, oder Lämmergeier, die den Ballon zerstören, oder Wind und Feuer und Wüste, die Elemente...


    Er kann auch sehr gut, wie ein Komponist, die verschiedenen Variationen eines Themas durchspielen. Ohne langweilige Passagen zu produzieren. Natürlich gibt es da auch einige wissenschaftliche Beschreibungen, geografische Beschreibungen, das Ausschütten von Lexika und Enzyklopädien an bestimmten Stellen, um die kann der Leser dann mal einen Bogen machen, wenn er will.


    Ich finde, er ist insofern auch aktueller als zum Beispiel Karl May. Für mich ist Karl May eigentlich eine Zeitlang das deutsche Gegenstück zu Jules Verne gewesen, es sind viele damit sozialisiert worden, in Frankreich ist es eben Jules Verne gewesen. Und das zeigt vielleicht auch gleich bestimmte Probleme oder Defizite in der deutschen Sozialisation, bei Karl May ist die Wissenschaft ja nicht so toll vertreten, sondern mehr Abenteuer, Sentimentalität, Exotik. Auch ein Tor zur Welt.


    Das wäre vielleicht überhaupt ein weiterer Punkt für Jules Vernes Aktualität: dass seine Bücher ein Tor zur Welt sind. Für mich, aus heutiger Sicht, ist er auch der erste Autor, der die Globalisierung beschrieben hat, der in jedem Kontinent irgendwelche Abenteuer laufen hat. Und wenn man jung ist und noch nichts gesehen hat, ist das wirklich ein Zugang zur ganzen Welt. Mit wissenschaftlichen Mitteln, mit Humor, mit Abenteuern.

    Rassismus und Kolonialismus
    Interessant ist auch die Frage des Rassismus und Kolonialismus, da ist er ja teilweise ziemlich holzschnittartig, eben der reine Zeitgenosse, aber auch nicht immer. Aus heutiger Sicht gibt es da auch interessante Stellen, wo er zum Beispiel sagt: Vielleicht gehört Afrika ja die Zukunft! Und nicht mehr Europa! Da hat er auch Elemente, die nicht so ins Bild reinpassen. Irgendwie ist er eben immer auch ein unzeitgemäßer Zeitgenosse seiner eigenen Zeit.

    Woran lag es, dass sich zu Zeiten Jules Vernes „Science“ und „Fiction“ gegenseitig so befruchten, so stimulieren konnten?

    Damals mit der Technik romantische Motive verbunden
    Vielleicht lag es ja daran, dass die Romantik bestimmte Modelle entworfen hatte für das Leben: Abenteuer, Exotik, alles Rezepte für die Überwindung von Langeweile, und dass die Technik in ihrem Frühstadium diese romantischen Motive noch am ehesten verwirklichen konnte.


    Durch die modernen Transportmittel konnte man jetzt Reisen unternehmen nach Afrika, oder zum Mond, das konnte man sich nun vorstellen. Die Dinge waren in einem Übergang von dem, was man sich früher unter Magie vorgestellt hat, hin zur Technik. Und die Technik verkörperte damals eine Kraft der Verwirklichung von Märchen, Träumen, Siebenmeilenstiefeln, zu magischen Objekten sozusagen, die noch ganz anschaulich waren.

    Heute erscheint Technik nur als Blackbox
    Heute sind diese magischen Objekte alle so vernetzt und hinter einer black box verschwunden... ein Computer ist eigentlich nicht mehr so magisch wie das erste Auto. Der Computer taucht im Märchen noch nicht auf, allenfalls als Zauberspiegel. Während es Fahrzeuge, die ganz schnell dahersausen, schon in den alten Mythen gibt. Die Technik selber hat sich so verändert, dass man sie nicht mehr als Magie empfindet, oder als verwirklichte Romantik.

    Sehnsucht nach der Magie der Technik
    Unser Interesse kommt vielleicht daher, dass wir eine Sehnsucht zurück haben nach solch einem Zustand, als Technik noch mit Magie in Berührung war. Wo noch ein großes Durchatmen, oder ein großes Luftholen durch die Welt geht, wenn man den ersten Zeppelin fliegen sieht oder die ersten Ballons oder die ersten U-Boote. Das können wir heute eigentlich nicht mehr, in dieser Art. Es ist nicht mehr so anschaulich. Wir haben das Staunen über Technik verlernt. (...)

    http://www.mdr.de/leipzig-lies…-hintergrund-1784742.html

  • Da alle Links bisher nur Teile des Interviews beinhalten, hier die komplette Wiedergabe:
    http://www.j-verne.de/verne_bio_artikel3.html
    Ich hatte die Rechte zur Veröffentlichung erhalten (Vom Prof. und vom MDR). Stilistisch und inhaltlich habe ich allerdings mit den Darlegungen einige Probleme. Nicht jeder der mal Jules Verne gelesen hat (und das auch vor einiger Zeit), sollte auch darüber publizieren.