2005 / 12 Genesis: Nursery Cryme (1971)

  • Genesis
    Nursery Cryme (1971)

    [asin]B000024E9H[/asin]


    Genre: Rock
    Gesamtzeit: 39:32
    Titelanzahl: 07


    [01] The Musical Box (10:25)
    [02] For Absent Friends (1:43)
    [03] The Return Of The Giant Hogweed (8:08)
    [04] Seven Stones (5:08)
    [05] Harold The Barrel (2:58)
    [06] Harlequin (2:53)
    [07] The Fountain Of Salmacis (7:54)


    Die Geschichte im Rückblick:
    Zwei Schülerbands treffen bei Konzerten im britischen Internat Charterhouse aufeinander, kurze Zeit später steigen bei beiden Gruppen je zwei Leute aus und gründen ihre eigene Band, namentlich Peter Gabriel und Tony Banks (beide „The Garden Wall“) sowie Mike Rutherford und Anthony Phillips (beide „The Anon“). Kurz darauf kommt noch ein gewisser John Silver als Schlagzeuger hinzu. In dieser Besetzung wird ein Demoband erstellt und an den ehemaligen Charterhouse-Schüler und mittlerweile recht gefragten Produzenten Jonathan King geschickt, unter dessen Leitung zuerst eine Single und anschließend ein Album eingespielt wird. Auf der Suche nach einem Bandnamen kommt man über „Champagne Meadow“ und „Gabriel’s Angels“ schließlich zu dem schönen Wort „Genesis“. Bedauerlicherweise stellt sich jedoch bald heraus, daß bereits eine andere Formation dieses Namens in der Nähe existiert und so ändert man den Namen zu „Revelation“. Nachdem sich jedoch kurz vor Erscheinen der Single diese andere Gruppe auflöst, greift man freudestrahlend wieder auf „Genesis“ zurück. Das Album bekommt dann auch den Titel „From Genesis To Revelation“ … und gerät zum Flop, Jonathan King wird gefeuert, nachdem dieser es gewagt hatte, einige Streicher und Bläser in die Songs zu mischen, die Band zieht sich ins stille Kämmerlein zurück, John Silver erklärt seinen Ausstieg aus der Gruppe. Tja, und dann?
    Dann beschlossen Genesis, es trotzdem weiter mit der Musik zu versuchen. John Mayhew stieg als Drummer ein, das Quintett tourte durch England, erarbeitete neues, um einiges sperrigeres und längeres Songmaterial – der Legende nach brachte es der Titel „The Movement“ immerhin auf satte 45 Minuten, vollgepackt mit filigraner Gitarrenarbeit, ausufernden Orgelsoli, sonderbaren Texten und treibenden Rhythmen. Schließlich kam mit Tony Smith ein Produzent eines Progressive-Labels und nahm die Jungs unter Vertrag. Das Album „Trespass“ entstand 1970 und zeigte mehr als deutlich den Weg auf, den man zu gehen gedachte: weg von den harmlosen Popsongs, hin zu Stücken von fast epischer Tragweite. Nun gut, einige wollten nicht mehr weiter auf dem Weg gehen und stiegen aus: Anthony Phillips machte als Solist weiter und auch John Mayhew hatte keine Lust mehr, sein Dasein in einer erfolglosen Band zu fristen.
    Das Ergebnis?
    Zunächst mal schleppte Peter Gabriel einen neuen Gitarristen namens Steve Hackett an, der Phillips’ Parts übernahm und sogar noch ausbaute. Und für John Mayhew setzte man einfach ein kleines Inserat in die Zeitung, genauer: in die Zeitschrift "Melody Maker": „Genesis sucht Schlagzeuger“. Von dem auftauchenden Philip David Charles Collins, der ganz dringend von der mittelprächtigen Formation ‚Flaming Youth’ weg wollte, war Peter Gabriel sofort begeistert, während sich die Freude bei anderen etwas in Grenzen hielt, zumal Phil Collins damals nicht in der Lage war, richtig druckvoll zu spielen, wie es für frühere Genesis-Stücke wie z. B. „The Knife“ vielleicht dienlich gewesen wäre. Andererseits konnte er auch etwas singen und komplexe Rhythmen bereiteten ihm überhaupt keine Probleme - damit war dann die Entscheidung gefallen.
    Das dritte Genesis-Album sollte „Nursery Cryme“ heißen und alles in den Schatten stellen, was man bisher gemacht hatte. Die Zeichen dafür standen recht günstig – Anthony Phillips’ Ausstieg hatte zunächst einmal zu einigen Experimenten in Vierer-Besetzung geführt, und nach bester „Laß-das-mal-den-Tony-machen“-Manier waren die Einsätze, die ursprünglich für Phillips’ Gitarre geschrieben worden waren, auf Tony Banks übertragen worden, so daß dieser noch härter arbeiten musste, um mehrstimmige Improvisationen auf seinen Keyboards zustande zu kriegen. Phil Collins, zwar sonst nicht der genialste Schlagzeuger unter der Sonne, konnte im Hintergrund fleißig werkeln und Rhythmen so geschickt einsetzen, daß innerhalb von Sekundenbruchteilen ganz andere Stimmungen entstanden. Aus Peter Gabriel entwickelte sich auf der Bühne ein äußerst kreativer Kopf, der nicht nur sang, sondern auch die Handlung der Songs mit Hilfe von unzähligen Kostümen und Materialien schauspielerisch umsetzte, was sich natürlich auch auf die Flexibilität seiner Stimme auswirkte. Steve Hackett war ohne weiteres in der Lage, sowohl kreative Soli wie auch rhythmische Maßarbeit vorzulegen. Und Mike Rutherford sorgte mit seinem Baß in der Hand und Phil Collins an seiner Seite für ein stabiles Rückgrat. Das Material von „Nursery Cryme“ wurde sorgfältig und lange einstudiert, um das Album in einer möglichst kurzen Zeit einzuspielen – nicht nur heute ist Studiozeit teuer. „Nursery Cryme“ sollte deutlich machen, daß man den progressiven Weg, den man auf „Trespass“ eingeschlagen hatte, weitergehen wollte; die Band war erwachsener geworden und hatte sich von der Musik auf „From Genesis To Revelation“ unverkennbar abgewandt. Also – alles in Butter?
    Jein. „Nursery Cryme“ war in der Geschichte von Genesis ein deutlicher Schritt nach vorne … und dazu noch einer, bei dem man leicht hätte stolpern können. Leider merkt man das auch an einzelnen Stellen, denn Stücke wie „For Absent Friends“ oder „Harlequin“ sind zwar recht eingängig, aber sowohl musikalisch wie auch textlich eher schwach und mit „Seven Stones“ bringt man einen Titel, der sich auch nur im qualitativen Mittelfeld bewegt. Aber die gesamte Kreativität, Virtuosität und Kraft von Genesis bemerkt man in Songs wie „The Musical Box“, „The Fountain Of Salmacis“ oder „Harold The Barrel“. Wer kommt schon auf die Idee, Lieder zu schreiben über ungewöhnliche Geistererscheinungen oder die Geschichte von Hermaphroditus, der mit der Nymphe Salmacis zu einem Zwitter verschmilzt? Oder wer hat sich jemals mit so triefender Ironie mit dem Selbstmord eines Mannes auseinandergesetzt?
    Phantasie, Kreativität und das absolute Beherrschen der Instrumente – das war das, was Genesis Anfang der 70er Jahre ausgemacht hat. Vieles blieb mit der Zeit auf der Strecke und derjenige, der Genesis nur von Titeln wie „Mama“ oder „I Can’t Dance“ her kennt, wird zunächst mal erschrecken über das, was er hier an sperriger, aber nicht unsympathischer Kost serviert bekommt. Und auch die Solo-Arbeiten aller (Ex-)Bandmitglieder sind kaum zu vergleichen mit dem, was sie als Gruppe eingespielt haben. Mit „Nursery Cryme“ haben sie zwar nicht das beste Album als Quintett vorgelegt (das sollte wohl der direkte Nachfolger „Foxtrot“ oder das ’75er Doppelalbum „The Lamb Lies Down On Broadway“ werden – darüber streiten sich die Geister), aber mit „Nursery Cryme“ legten sie einen soliden Grundstein zu ihrer großen internationalen Karriere. Die Stücke schwanken zwar stark in ihrer Qualität, aber dafür sind die guten Sachen dann auch herausragend. In Italien und Belgien landeten Genesis mit „Nursery Cryme“ immerhin noch einen Achtungserfolg, während das Album ansonsten eher unterging. Erst mit „Foxtrot“ begann der kommerzielle Erfolg.


    - Peter Gabriel verließ Genesis 1975, während einer Tour zu "The Lamb Lies Down On Broadway"
    - Für die Stelle als Sänger wurden über 400 Bewerber gehört. Letzten Endes erklärte sich Phil Collins widerwillig bereit, den Gesang vorübergehend zu übernehmen, damit die Gruppe neues Material erarbeiten konnte. Für das Schlagzeug wurde bei Konzerten zunächst auf King Crimsons Bill Bruford und später auf Chester Thomson zurückgegriffen. Was jedoch nicht heißen soll, daß Phil Collins live kein Schlagzeug mehr spielte ... Als Phil Collins 1996 die Gruppe verließ, nahm man das zum Anlaß, neben Sänger Ray Wilson auch zwei (!) Schlagzeuger zu engagieren: Nir Zidyahu und Nick D'Virgilio.
    - Steve Hackett verließ Genesis 1977, während das Live-Album "Seconds Out" abgemischt wurde. Er wurde nicht ersetzt, Mike Rutherford, der gelegentlich an der Gitarre ausgeholfen hatte, übernahm Hacketts Aufgaben. Live nahm man Daryl Stuermer bzw. Anthony Drennan mit ins Boot.
    - Offiziell wurde die kommerziell erfolgreiche Phase von Genesis mit dem Singlehit "I Know What I Like (In Your Wardrobe)" eingeläutet, das aus dem Album "Selling England By The Pound" (1973) ausgekoppelt wurde. Daß sich "Foxtrot" (1972) als Album eigentlich auch ganz passabel verkaufte, wird meistens unterschlagen.
    - Aussteiger John Mayhew verschwand von der musikalischen Bildfläche, bei Anthony Phillips dauerte es sechs Jahre, bis er 1977 sein Debütalbum vorlegte: "The Geese And The Ghost". Auf diesem Album arbeitete er mit seinem alten Weggefährten Mike Rutherford zusammen ... und überraschenderweise auch mit Phil Collins, mit dem er bei Genesis nie zusammen gespielt hatte.
    - Phil Collins' erste Platte war nicht "Nursery Cryme", wie immer wieder gerne behauptet wird, sondern "Ark 2", ein Machwerk der Gruppe "Flaming Youth".
    - Phil Collins gab in einem Interview grübelnd zu Protokoll, daß er zu "Selling England By The Pound" und "The Lamb Lies Down On Broadway"-Zeiten der einzige der Gruppe war, der ein Tonband- bzw. Cassettengerät besaß, so daß er selbst bis zu seinem Ausstieg viele Proben und Sessions der Gruppe mitschnitt (diese Bänder wurden teilweise später herangezogen, um einen Teil der Genesis-Box-Sets zu füllen). Dennoch besitzt er ein Bootleg-Album mit Aufnahmen aus den "Lamb"-Tagen, von dem er bis heute nicht weiß, wie diese Aufnahmen zustande gekommen sind, da sich das Original-Band noch immer in seinem Besitz befindet.
    - Genesis wurden offiziell von Tony Banks und Mike Rutherford im Jahr 2000 aufgelöst; seit einigen Monaten kursieren allerdings schon wieder Gerüchte über gemeinsame Treffen und das Ausarbeiten neuer Genesis-Stücke.

  • [URLTARGETSELF=http://www.inside-forum.de/profile.php?userid=37]der_landvogt[/URLTARGETSELF], [URLTARGETSELF=http://www.inside-forum.de/profile.php?userid=20]Paul[/URLTARGETSELF], [URLTARGETSELF=http://www.inside-forum.de/profile.php?userid=35]Ska the Witch[/URLTARGETSELF], [URLTARGETSELF=http://www.inside-forum.de/profile.php?userid=1]Tatzelwurm[/URLTARGETSELF]


    [URLTARGETSELF=http://www.inside-forum.de/thxvote.php?threadid=6910]Klicke hier, um dich zu bedanken![/URLTARGETSELF]

  • Nursery Crime war das erste Genesis Album, das ich gehört habe. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ein Freund mir seine "Neuentdeckung" vorstellt.
    So richtig vom Sitz gehauenen hat es mich damals aber ehrlich gesagt nicht.
    Begeisterung kam erst mit Foxtrot - für mich das beste Genesis Album - auf.
    Den Hype um The Lamb lies down on Broadway konnte ich dagegen auch nie so richtig nachvollziehen

    "Woe to you, Oh Earth and Sea,
    for the Devil sends the beast with wrath,
    because he knows the time is short...
    Let him who hath understanding reckon
    the number of the beast
    for it is a human number,
    it's number is Six hundred and sixty six"

  • Nursery Cryme ist schon allein wegen "The Return Of The Giant Hogweed" ein echtes Kultalbum für mich.


    @ Landvogt: Naja, der Hype war aber sicher nicht ganz ungerechtfertigt, wenn ich da an Stücke wie "The Lamb...", "Cuckoo Cocoon", "Back in N.Y.C.", "Counting Out Time" oder das Sahnestückchen "Carpet Crawlers" denke!? (Um mal eine Lanze für das Album zu brechen :DD )

  • Sorry :P, aber ich fand "The lamb.." einfach nur langweilig. :evil: Den einzigen Genesisalben, denen ich wirklich was abgewinnen konnte, waren Foxtrot und Trick of the Tail und mit Abstrichen noch Trespass.


    Das mag aber auch daran gelegen haben, daß ich eher ein Fan von Gentle Giant :anbet: bin, Genesis großem Gegenpart in den 70ern. Die halte ich nach wie vor für wesentlich kreativer und abwechslungsreicher. Möglicherweise war ich deshalb von Alben wie "Gentle Giant", "Acquiring the Taste", "Three friends", "Octopus", "In a Glass House" und "The Power and the Glory" doch schon etwas verwöhnt :D

    "Woe to you, Oh Earth and Sea,
    for the Devil sends the beast with wrath,
    because he knows the time is short...
    Let him who hath understanding reckon
    the number of the beast
    for it is a human number,
    it's number is Six hundred and sixty six"

  • Zitat

    Original von der_landvogt
    Das mag aber auch daran gelegen haben, daß ich eher ein Fan von Gentle Giant :anbet: bin, Genesis großem Gegenpart in den 70ern. Die halte ich nach wie vor für wesentlich kreativer und abwechslungsreicher. Möglicherweise war ich deshalb von Alben wie "Gentle Giant", "Acquiring the Taste", "Three friends", "Octopus", "In a Glass House" und "The Power and the Glory" doch schon etwas verwöhnt :D


    "Octopus"? *autsch* Das fand ich nun wiederum langweilig :D
    Aber über "Gentle Giant", "Acquiring The Taste", "In A Glass House" und "The Power And The Glory" kann man durchaus reden :D :up: Solange wir uns nicht über "Giant For A Day" oder "Civilian" unterhalten, ist der Gentle Giant eigentlich auch was richtig Feines :]


    Gruß
    Skywise

  • Volle Zustimmung bei "Giant for a Day" und "Civilian".


    Als Entschuldigung für GG kann man wohl nur gelten, lassen, daß die große Zeit des ProgRocks vorbei war und man verzweifelt versucht hat "poppiger" zu werden. Das haben GG aber nicht so gut hingekriegt wie Genesis.


    Aber Octopus! :nö: Mit Abstand mein Lieblingsalbum. - Allein schon wegen "Knots" :balla:

    "Woe to you, Oh Earth and Sea,
    for the Devil sends the beast with wrath,
    because he knows the time is short...
    Let him who hath understanding reckon
    the number of the beast
    for it is a human number,
    it's number is Six hundred and sixty six"