Schräge Werbekampagne
"Nieder mit der 'Bild'"
| 24.11.05 |
Eine äußerst ungewöhnliche Werbekampagne sorgt für Aufsehen.
Von Sebastian Heise
So ist zurzeit auf Werbeplakaten im gesamten Bundesgebiet zu lesen: „Nieder mit der Bild", „Entmachtet Bild", „Lest keine Bild“ oder gar „Zerstört Bild“. Der verwunderte Betrachter muss erst genauer hinsehen, um zu erkennen, wer hinter der Forderung stehen soll: „Bund der Doping-Sportler", „Bund der Sozial-Schmarotzer“ oder „Bund der Preistreiber“ steht am unteren Rand des Plakates.
Dass die Kampagne von der „Bild“-Zeitung selbst kommt, bleibt offen. Aber ganz bewusst, wie Oliver Voss von der Werbeagentur Jung von Matt betont. „Dann würden sie ja die Mechanik dieser Kampagne kaputt machen", sagt Voss. „Das peilen die Menschen schon – die reimen sich das selbst zusammen.“ Denn jeder weiß, dass es keinen „Bund der bestochenenen Schiedsrichter“ gibt.
„Samen-Klau“ und „Bum-Bum-Boris“
Seit über zehn Jahren entwirft der Geschäftsführer Kreativ der vielfach preisgekrönten Hamburger Werbeagentur die Kampagnen für die „Bild“-Zeitung. Auch für die Plakate mit den Schlagzeilen wie „Samen-Klau“ und „Bum-Bum-Boris“ war er verantwortlich.
Selbst die „Bild“ überrascht
Mit dieser Kampagne hat er selbst die hartgesottenen „Bild“-Redakteure überrascht. Sie hätten sie es zwar sofort „klasse“ gefunden, doch dann hätten sie auch kurz überlegt, ob man das überhaupt machen kann. Doch „die ´Bild´ wird von sehr kreativen Leuten geleitet, die natürlich großes Verständnis für Kreativität hätten", sagt Voss.
Der Werber betont jedoch auch, dass eine solche Kampagne „nur bei einem Superbekanntheitsgrad geht", wie ihn die „Bild“-Zeitung vorzuweisen hat. Denn ohne dies würde sich für den Betrachter die „verstörende Aussage“ nicht auflösen.
Nicht in 30 Sekunden vergessen
Voss spricht von einem „Störsignal", mit dem man die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich zieht. Er habe sich damit auch eigentlich über die Regel hinweggesetzt, dass man ein Plakat in drei Sekunden verstehen müsse. „Dabei besteht nämlich auch die Gefahr, dass man es in 30 Sekunden auch wieder vergisst.“
Eine solche Kampagne könnte man aber auch nicht bei jedem Werbepartner machen, sagt Voss. Neben der Bekanntheit „muss es ein kontroverses Produkt sein", sagt der Kreativ-Geschäftsführer. Eine Überschrift „Nieder mit Nivea“ ginge auf keinen Fall. Jeder würde sagen: „Wer hat denn was gegen Nivea.“
„Doppelter Aufmerksamkeits-Effekt“
Die Zeitung selbst ist bisher sehr zufrieden mit der Kampagne, die Anfang dieser Woche gestartet wurde. „Bild“-Sprecher Tobias Fröhlich verweist darauf, dass in den Städten eifrig darüber gesprochen werde. „Weil man zweimal hingucken muss, um das Plakat zu verstehen, erreicht ´Bild´ so einen doppelten Aufmerksamkeits-Effekt", sagt er und fügt hinzu: „Was wünscht man sich mehr von Werbung!“