Bestseller um Rätsel der Geschichte

  • Der italienische Autor und Wissenschaftler Umberto Eco wird morgen 75 – Antriebsmotor der Gelehrsamkeit




    Chemnitz. Das „Labyrinth der Vernunft“ ist die eigentliche Heimat von Umberto Eco. Ob als Essayist, Polemiker oder Erzähler, stets streicht er Lorbeeren ein. Sein Dauererfolg beruht auf der Fähigkeit, komplizierteste Zusammenhänge gewitzt und locker zu schildern. Egal, ob es nun um die Rituale der Kabbala geht, um die Legenden von Odysseus oder um die Magie der Visionen von Jules Verne, der füllige Mann mit dem graumelierten Vollbart und der Zweistärkenbrille trifft exakt den Ton, der dem Publikum behagt. Morgen wird der 1932 in dem piemontesischen Städtchen Alessandria geborene Autor 75.


    Ecos raffiniert konstruierte Bestseller kreisen um Rätsel der Geschichte vom Mittelalter bis zum Barock. Nicht nur renommierte Historiker wie Horst Fuhrmann zeigen sich davon beeindruckt, auch Laien sind besessen vom Charme der Storys über eine graue Vorzeit. Wenn der hochgescheite Autor mit allen Kniffen der Spannungserzeugung von gewieften Mönchen, verschrobenen Erfindern und wagemutigen Abenteurern berichtet, berührt er den Nerv der Gegenwart, und das keineswegs zufällig. Sein verfilmter Knüller „Der Name der Rose“ beispielsweise entstand unter dem Eindruck der Affäre um den 1978 ermordeten Politiker Aldo Moro.


    Ein Akademiker, der packend fabuliert


    Inzwischen fand Eco zahlreiche Nachahmer. In seinem Schlepptau tummeln sich Modeschriftsteller, die den Boom der Geschichtsromane nutzen, um sich Marktanteile zu sichern. Doch keiner dieser Epigonen vermag ernsthaft mit dem Auflagenmillionär zu konkurrieren, denn dieser Star der Literatur fabuliert nicht nur packend über die Vergangenheit, sondern er durchleuchtet sie nebenbei in klugen Studien. Bereits in jungen Jahren machte er eine Blitzkarriere als Akademiker. Bald erwies sich, dass kaum eine Fachdisziplin existiert, in der sich der Semiotik-Professor nicht gewappnet fühlt. Der mit 31 Ehrendoktortiteln ausgezeichnete Überflieger brilliert in Soziologie und Philosophie genauso wie auf den Gebieten Pädagogik und Psychologie. Erst kürzlich legte er mit dem Kompendium „Quasi dasselbe mit anderen Worten“ ein linguistisches Meisterstück zur Problematik des Übersetzens vor.


    Schon früh entdeckte Eco die Massenmedien als Präsentationsforum. Er hält Fernsehvorlesungen, führt öffentliche Streitgespräche mit Kardinälen über Glaubensfragen, verfasst regelmäßig Kolumnen für die Tagespresse, jene bissigen „Streichholzbriefe“, in deren jüngst veröffentlichter Sammlung er mit Genuss und Wonne gegen seinen Erzfeind Silvio Berlusconi wettert. Auch die Schwierigkeiten der Globalisierung klammert er keineswegs aus seinem Gesichtskreis aus, wie sein für März avisiertes Buch „Im Krebsgang voran“ zeigt. Immerzu strotzt er vor Vitalität und Energie. An einem Tag referiert er in Rom, am nächsten thront er schon als Schirmherr eines Kongresses in Buenos Aires.


    Dieses Phänomen verleitete Spötter zu dem Witz, Eco verfüge über die mystische Gabe der Bilokation, das heißt, er könne zeitgleich an verschiedenen Orten auftauchen. Der faustische Bildungsbürger mit dem gigantischen Fanclub, den Alberto Moravia einen „Antriebsmotor der Gelehrsamkeit“ nannte, verbreitet eine suggestive Aura um sich.


    Pure Fleißarbeit eines Tausendsassas


    Umberto Ecos enorme publizistische Aktivitäten nährten den Verdacht, dass sich hinter seinem Namen in Wirklichkeit ein ganzes Konsortium von Künstlern und Forschern verbirgt. Doch die 1994 von der Berliner „taz“ gemeldete Sensationsnachricht entpuppte sich als Ente, die den Ruhm des bereits legendären Autors noch festigte. Ecos Leistung gründet sich auf pure Fleißarbeit. Bescheiden erklärt der Tausendsassa: „Wenn ein Autor behauptet, er habe im Rausch der Inspiration geschrieben, lügt er. Genie ist zehn Prozent Inspiration und neunzig Prozent Transpiration“.


    Service


    Umberto Eco: „Quasi dasselbe mit anderen Worten“. 464 Seiten. 27,90 Euro. [asin]3446207759[/asin]
    „Schüsse mit Empfangsbestätigung – Neue Streichholzbriefe“. 176 Seiten. 15 Euro. [asin]3446207619[/asin]
    Beides erschienen im Hanser Verlag.




    Von Ulf Heise


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    http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/KULTUR/777170.html

  • Vielleicht auf "Die Insel der verlorenen Tage", auf jeden Fall aber "Das Foucaultsche Pendel" in Zusammenhang mit den Vermutungen frz. Esoteriker, Verne habe Bescheid gewusst über den Schatz der Merowinger und Rosenkreuzer und entsprechende Andeutungen in seinem Roman "Clovis Dardentor" verbraten! Naja, wer's glauben mag...

  • ... erinnert mich an die Fangemeinde von Charles Berlitz' ATLANTIS-Theorie. Da wurde Jules Verne mit seinen Aussagen in "20.000 Meilen" zum Thema unterstellt, dass er auch mehr von ATLANTIS wisse ... obwohl er bestimmt auch nur einen populären Gedanken der damals schon kursierenden Geschichte eingeflochten hatte. Aber es lässt sich eben vieles unterstellen und vermuten. Gerade Berlitz der ein ähnlicher, selbsternannter Spezialist wie Däniken ist, schmückt sich eben gern mit bekannten Namen in seinen Ausführungen...

  • Völlig einverstanden mit Andreas: der Mechanismus bei diesen Dingen ist immer der gleiche.


    Ich muss den ersten Eco-Titel korrigieren: Es handelt sich um "Die Insel des vorigen Tages", und obwohl der Roman im 17./18. Jahrhundert spielt, gibt es motivische Anklänge an "Die geheimnisvolle Insel".

  • In "Il pendolo di Foucault" wird Verne explizit genennt, wie es Volker schon gesagt hat, aber Dardentor spielt hier keine Rolle. Siehe ein Fragment in meiner Webseite: http://www.phys.uu.nl/~gdevries/refs/refs.html#eco


    In seinem letzten Roman, "La fiamma misteriosa della regina Loana", kehrt ein vom Schlaganfall getroffener Mann zuruck ins Haus seiner Jugend, damit er seine Erinnerungen zuruckfinden konne. In seinem alten Zimmer findet er eine Reihe Jules Verne Bucher, und er schreibt wie die Holzstiche ebenso wichtig waren fur das Erlebnis als die Geschichte selber.


    Letztes Jahr schrieb Eco uber Verne in seiner Kolumne:
    http://voxday.blogspot.com/200…entro-di-jules-verne.html


    Ich glaube, er hat schon in fruheren Kolumnen uber Verne gesprochen.