Schicksalsort Monza
Alle warten gespannt auf seine Antwort.
Darauf, wie sich Michael Schumacher, Rekordweltmeister der Formel 1 mit sieben Titeln, am Wochenende beim Italien-Grand-Prix in Monza im Anschluss an das Rennen bezüglich seiner Zukunft entscheidet. Ferraris Heimrennen lenkte schon häufiger die Geschicke des 37-jährigen Superstars.
Wenn Michael Schumacher (37) am kommenden Wochenende in Monza wirklich seinen Rücktritt erklärt, dann war sein Besuch am Sonntag bei den "Ferrari Racing Days" auf dem Nürburgring sein letzter Heimat-Auftritt als aktiver Grand-Prix-Pilot. Genau werden wir das erst in ein paar Tagen wissen - aber ein paar Details scheinen wie Blinklichter zu signalisieren: Zielflagge für die erfolgreichste, triumphalste Karriere in der Geschichte des Autorennsports.
Der Entschluss, abzutreten, ist für jeden Supersportler der schwierigste seiner ganzen Laufbahn. "Früher", so formuliert der bekannt risikofreudige Gerhard Berger (47), "haben die Rennfahrer meist mit 30 Jahren aufgehört - froh und dankbar, dass sie überlebt haben." Jahrzehntelang das wichtigste Kriterium in der Formel 1. "Damals war der größte Sieg immer noch, dass du am Leben bleibst", erinnert sich auch der dreimalige Champion Niki Lauda (57).
Michael Schumacher wurde gottlob schon in eine wesentlich sicherere Phase der Autos und Rennstrecken hineingeboren, aber er hat auch dafür - mit Berger im Safety Committee - verbissen gekämpft. Vor und nach seinem Beinbruch in Silverstone 1999. Und er hat dank seiner Traumleistung aus dem Sport mehr herausgeholt als jeder andere. Warum sollte er jetzt aufhören, warum weiterfahren? Risiko ist also kein großes Thema mehr, Geld auch nicht, Rekorde sind es schon gar nicht. 89 Siege, 68 Pole-Positions, 75 schnellste Runden, 5009 Runden in Führungskilometern, also fast einmal rund um den Erdball, 1344 WM-Punkte - alles Rekorde für die Ewigkeit. Nur Riccardo Patreses 256 GP-Starts wird Schumacher (derzeit: 245), falls er wirklich aufhört, nicht mehr erreichen. Aber wie er immer gesagt hat: "Ich fahre nicht für die Statistik." Auch nicht unbedingt für die Familie: "Aber wenn ich jemals merke, dass meine Familie unter meiner Karriere leidet, dann höre ich eher mit dem Rennfahren auf!"
Der Superstar steht jetzt an der Weggabelung, der großen Kreuzung seines Lebens. In Monza, dort also, wo schon so viel für ihn Dramatisches passiert ist:
1991 wurde er in nervenaufreibenden nächtlichen Konferenzen in der Villa d'Este am Comer See von seinem ersten Formel-1-Team Jordan zu Benetton umdirigiert - und zerschmetterte prompt gleich darauf ab Monza die Traumkarriere des dreimaligen Weltmeisters Nelson Piquet, seines neuen Stallkollegen - der am Ende der Saison zurücktrat.
"Früher haben die Rennfahrer meist mit 30 aufgehört - froh und dankbar, dass sie überlebt haben."
Gerhard Berger, Ex-Pilot
1996, nach seinem ersten Monza-Sieg für Ferrari, verriet "Schumi" den begeisterten Tifosi die bevorstehende Ankunft seiner Tochter Gina Maria. Heute begeistert sich die Neunjährige längst fürs Reiten, während Sohn Mick (7) ein echter Wildfang ist: mit Fußball, Eishockey und (natürlich) im Go-Kart . . .
2000 brach der angeblich so "seelenlose Computer" Schumacher während der Sieger-Pressekonferenz in Monza in Tränen aus, als ihm bewusst wurde, dass er mit seinem 41. Sieg die Traummarke des sagenhaften Ayrton Senna erreicht hatte.
2003 gelang dem Deutschen in Monza nach einem flammenden Appell von Ferrari-Chef Luca di Montezemolo, was kaum mehr einer für möglich gehalten hatte: die scheinbar schon - ausgerechnet an Kimi Räikkönen und McLaren - verlorene WM noch herumzureißen und in einem sensationellen Endspurt für Ferrari zu gewinnen. Monza - amore mio, für Michael noch mehr als für alle anderen.