Winnetou-Debatte: Verwalter von Karl-May-Erbe wehren sich gegen Vorwürfe

  • Verwalter von Karl-May-Erbe wehren sich gegen Vorwürfe. Autor war "Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit"


    Abenteuerautor Karl May

    © Picture Alliance


    In der Winnetou-Debatte äußern sich auch die Leiter des Karl-May-Hauses und der Karl-May-Gesellschaft: Sie werfen den Kritikern des Autors Unkenntnis vor. May sei zwar ein Kind seiner Zeit gewesen, seine Sympathie aber galt immer der indigenen Bevölkerung.


    Der Leiter des Karl-May-Hauses in Hohenstein-Ernstthal hat Kritikern der jüngsten Winnetou-Kinderbücher viel Unwissenheit und Oberflächlichkeit vorgeworfen. "Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die diese Debatte losgetreten haben, ein Karl-May-Buch zur Hand nehmen und lesen", sagte André Neubert der Nachrichtenagentur DPA. Dann würden sie mit Sicherheit zu einer anderen Einschätzung kommen. Er bedaure, dass die Firma Ravensburger die Bücher aus dem Verkauf genommen habe. Nach seiner Einschätzung handle es sich bei den Kritikern um eine kleine, lautstarke Gruppe, die sich Argumenten verschließe. Das Ganze komme einer Bevormundung anderer gleich. Ihn selbst nerve die Debatte, sagte Neubert.


    Die Welt braucht mehr Karl May, nicht weniger

    Karl May sei ein Kritiker des Kolonialismus und ein Pazifist gewesen, so der Historiker. Er habe sich sehr für die Völkerverständigung eingesetzt. Das zeige sich besonders in der Blutsbrüderschaft zwischen den Romanfiguren Winnetou und Old Shatterhand. Angesichts der aktuellen Krisen und Kriege in der Welt, müsse eher mehr als weniger Karl May gelesen werden, sagte Neubert.


    Der Schriftsteller Karl May in seiner Bibliothek in der Villa Shatterhand (Aufnahme etwa 1896).


    Rassismusvorwürfe gegen den Abenteuerautor, der von 1842 bis 1912 gelebt hatte, haben auch eine breite Debatte zum Umgang mit historischen Darstellungen anderer Kulturen ausgelöst. Die Karl-May-Gesellschaft und die Karl-May-Stiftung veröffentlichten einen offenen Brief unter dem Titel "Ist Winnetou erledigt?" und starteten eine Petition. Das Karl-May-Museum in Radebeul sprach nun von einer "Winnetou-Cancellation".


    Sympathie gilt indigener Bevölkerung

    Die Verfasser des offenen Briefes gingen auf das Argument ein, dass May "angeblich ein überholtes rassistisches Weltbild vertrete und den Genozid an der indigenen Bevölkerung Amerikas romantisiere oder verschweige". Als deutscher Schriftsteller des 19. Jahrhunderts sei May "unvermeidlich vom Habitus eines kolonialen Zeitalters geprägt", heißt es in dem Brief. Insbesondere in seinen frühen Texten seien damals gängige ethnische Stereotypen und eine eurozentrische Perspektive enthalten. "Diese kritisch herauszuarbeiten und auf ihre Quellen zurückzuführen, ist Aufgabe der Literatur- und Kulturwissenschaft."


    Szenenbild aus "Der junge Häuptling Winnetou"


    Die zeitbedingte Weltsicht habe May mit praktisch allen Autorinnen und Autoren der Vergangenheit geteilt, lautet eine weiteres Argument der Verfasser. "Die Besonderheit Karl Mays besteht darin, dass in seiner Darstellung des 'Wilden Westens' von Anfang an die Sympathie des Erzählers der leidenden indigenen Bevölkerung gilt." Ihre Würde und ihre menschlichen Qualitäten würden sich in Idealfiguren wie Winnetou verkörpern. Die tragische Vernichtung ihrer materiellen und kulturellen Existenz grundiere alle May'schen Nordamerika-Erzählungen.


    "Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit"

    "Auch an anderen Schauplätzen – in Südamerika und Südafrika, im Mittleren und Fernen Osten – werden Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung, Sklaverei und gewaltsame Mission mit ihren Motiven und Folgen immer wieder drastisch vor Augen geführt und unmissverständlich verurteilt", hieß es weiter. Überhebliche Verachtung außereuropäischer Kulturen, rassistische Sprache und religiöse Intoleranz seien bei Karl May durchgehend Merkmale negativ gezeichneter Antagonisten. Hierdurch habe der Autor bei seinen Lesern zweifellos über mehrere Generationen hinweg als "Erzieher zu Toleranz und Weltoffenheit" gewirkt.


    Kinofilm "Der junge Häuptling Winnetou"


    Die Firma Ravensburger hatte wegen Rassismus-Vorwürfen, mehrere Bücher von May aus dem Verkauf genommen. Mit den "Winnetou"-Titeln seien die "Gefühle anderer verletzt worden", begründete die Firma ihre Entscheidung auf Instagram. Hunderte Nutzer der Social- Media-Plattform äußerten daraufhin ihr Unverständnis und bezichtigten die Firma etwa der Zensur oder des Einknickens vor Kritik. Es gab aber auch Unterstützung für die Entscheidung.


    May-Werk in 30 Sprachen übersetzt

    Karl May hat sächsische Wurzeln. Er wurde in Hohenstein-Ernstthal geboren und starb in Radebeul. Sein Werk wurde in mehr als 30 Sprachen übersetzt und in rund 50 Ländern der Erde aufgelegt.


    Quelle: https://www.stern.de/kultur/bu…toffenheit--32665098.html

  • Es gibt bestimmt genügend Beispiele, bei denen man hinterfragen kann und sollte, warum die Personen (noch) auf dem Sockel oder Denkmalspodest stehen. Vieles vergangener Jahrhunderte erscheint eben berechtigterweise nicht mehr im positiven Licht.


    Wenn sich aber Eiferer mit einem Rundumschlag gegen alles wehren was aus der Vergangenheit kommt, dann habe ich so meine Probleme. Berechtigte Kritik ja, aber keine Pauschalurteile. Das würde bedeuten: zurück in die Diktatur mit einer aktiven Zensur.
    Am ärgerlichsten sind Leute mit Halbwissen oder unbelesene. Und in dem Medien ist schnell Schaden angerichtet.

    Ärgerlich, dass Ravensburger nicht den Dialog gesucht hat. Dann hätte man den Kritikern das Wasser abgraben können.