Überraschung: Karl-May-Bücher wurden in der DDR doch gedruckt

  • Plakatausstellung in Saalfeld

    Überraschung: Karl-May-Bücher wurden in der DDR doch gedruckt

    09.03.2025, 17:15 Uhr • Lesezeit: 3 Minuten

    Von Guido Berg

    „Haben Sie was von Stefan Zweig?“ - Die Plakatausstellung „Leseland DDR“ im Saalfelder Stadtmuseum.© OTZ | Guido Berg

    Saalfeld. Erich Honecker persönlich gab sein Okay - Es ist nur eine zweidimensionale Exposition, doch wer den Weg ins Stadtmuseum findet, macht Entdeckungen.

    Der Nachteil einer Plakatausstellung ist der, dass sie aus Plakaten besteht. Aus Sicht der Besucher heißt das: Davorstehen und lesen. Wenn sich die Exposition allerdings dem Thema „Leseland DDR“ stellt, dann funktioniert das womöglich. Denn wer so eine Ausstellung besucht, der liest doch sicher ganz gern. Seit Samstag ist eine solche Ausstellung im Saalfelder Stadtmuseum zu sehen. Wer sich durch die 20 Plakate gekämpft hat, der ist auf keinen Fall dümmer als vorher - und hat womöglich sogar die ein oder andere Überraschung erlebt.

    Etwa diese: Der Winnetou-Autor Karl May (1842 - 1912) wurde in der DDR doch gedruckt! Das ist nicht jedem bekannt. Die Plakatausstellung „Leseland DDR“ informiert darüber, wie Staats- und Parteichef Erich Honecker die Herausgabe persönlich genehmigte. Das war 1981 und man muss wissen, dass die DDR-Führung Karl May viele Jahre nicht drucken ließ, weil seine Helden keine Helden der Arbeiterklasse waren - oder warum auch immer. Jedenfalls entstand zwischen Kap Arkona und dem Fichtelberg eine extreme Übernachfrage nach Winnetou, Old Shatterhand und Co. Es gab DDR-Fans, die ganze May-Bücher mit der Schreibmaschine abschrieben, um sie zu besitzen. (Quelle: SPIEGEL TV Classics)

    Karl May (1842-1912), deutscher Schriftsteller von Abenteuerromanen (Old Shatterhand, Winnetou, Kara Ben Nemsi).© Sammlung Richter/Cinetext | Richter/Cinetext

    Der Verlag Neues Leben begann dann 1982 mit „Winnetou I“ und brachte es bis zur Wende auf 13 Bände. Selbst eine Auflage von 250.000 Exemplaren pro Band konnte nicht ändern, dass die Bände stets kurz nach dem Erscheinen vergriffen waren. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum manch einer die DDR-Karl-May-Herausgabe gar nicht mitbekam.

    Einzelne Plakate von „Leseland DDR“ widmen sich Märchen und Kinderbücher, die in der DDR viel gelesen wurden. Auch das Thema Science-Fiction in der DDR wird aufgegriffen. Thematisiert werden ebenfalls Kochbücher. Was daran aus heutiger Sicht interessant ist, bringt der auf einem Plakat zitierte letzte DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann auf den Punkt: „In DDR-Kochbüchern tauchen Gewürze, die heute alltäglich genutzt werden, nicht auf, weil sie so viele Devisen gekostet haben, dass man sie gar nicht eingeführt hat.“ Wenn man so will, lautete die Küchenparole in der DDR: Kochen ohne Kardamom.

    Die bei Karl May schon angesprochene literarische Unterversorgung wird auch auf einem Plakat aufgegriffen, dass mit dieser Frage überschrieben ist: „Haben Sie was von Stefan Zweig?“ Da wird die Not eines Ostberliner Buchhändlers geschildert, der auf die Kunden-Frage: „Haben Sie die ,Seelenruhe‘ von Seneca?“ antwortete: „Nee, haben Sie die?“

    Die Plakatausstellung „Leseland DDR“ ist noch bis zum 27. April 2025 im Kleinen Saal des Stadtmuseum Saalfeld zu sehen. Begleitend zur Ausstellung wird herzlich zum Vortrag eingeladen am 2. April 2025 um 19 Uhr im Vortragsraum des Stadtmuseums: Dr. Wolfgang Bothe (Berlin): „Wie George Orwells Roman ‚1984‘ fast in der DDR erschienen wäre.“

    Quelle: https://www.otz.de/lokales/saalfe…h-gedruckt.html

  • Wer wirklich davon überrascht war, das May im Osten gedruckt wurde, der hat sich aber nicht für Bücher interessiert. Anders ist das nicht zu erklären. Selbst die die keine Bücher abbekamen, kannten ja trotzdem den Fakt als solchen.

    Der Mangel oder die nicht ausreichenden Auflagenhöhen waren auch bei anderen, durchaus auch von oben gut angesehenen Schriftstellern vorhanden. Bei May wird der Nachholbedarf nur stärker gewesen sein.

    Vielleicht war der Autor des Artikels auch einfach zu jung, um das zu wissen. Den Kopf habe geschüttelt, als ich las: “der Nachteil einer Plakatausstellung ist der, dass sie aus Plakaten besteht.”

    Was hatte denn der Autor erwartet? :gruebel:

  • Diese Ausstellung ist vor einiger Zeit auch im Leipziger Stadtmuseum gezeigt worden. Dort hat man aber nicht die Plakate verwendet, sondern die Inhalte im selben Layout auf große Aufsteller übertragen, wodurch alles doch etwas "besser" gewirkt hat als bei der originalen Plakatausstellung. (Zusätzlich war die Ausstellung noch um mehrere Leipzig-spezifische Tafeln ergänzt worden.) Wenn die Schau mal irgendwo in der Nähe gezeigt wird (egal ob als Plakatausstellung oder in aufwändigerer Umsetzung), sollte man durchaus mal einen Besuch einplanen.