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KINDERSCHOKOLADE
Wütender Protest gegen das neue Gesicht
Von Anne Seith
Über 30 Jahre strahlte er auf der Verpackung, jetzt ist er weg. Ferrero hat den braunhaarigen Jungen auf der Kinderschokolade durch einen neuen ersetzt - und sich damit vielleicht kräftig verkalkuliert. Einer Internet-Protest-Aktion haben sich schon mehr als 20.000 Fans angeschlossen.
Hamburg - Volker Tzschucke und Jan Thiele haben zum Widerstand geblasen gegen den Neuen. Seit ihrer Kinderzeit strahlte ihnen von der Verpackung der Kinderschokolade immer der gleiche, braunhaarige Junge mit seinem engelsgleichen Lächeln entgegen, sagen sie. Nach über 30 Jahren hat Ferrero nun die Verpackung geändert und den deutschlandweit bekannten Jungen ersetzt.
Der Neue ist blond und lächelt spitzbübisch mit perlweißen Zähnen. Die Haare sind frech nach hinten gekämmt. Das Poloshirt ist nicht mehr weiß, sondern orange. Der alte Junge sei nicht mehr zeitgemäß gewesen, heißt es bei Ferrero, obwohl man Hemd und Frisur schon mehrmals verändert hatte. Tatsächlich wirkt das jedem bekannte Kind mit dem brav gekämmten, braunen Schopf ziemlich bieder. Es ist eben aus einer anderen Zeit und inzwischen ja auch schon 42 Jahre alt und als Kameramann tätig.
Doch Tzschucke und Thiele hängen an der alten Verpackung. "Ferrero stiehlt uns einen Teil unserer Identität", beschweren sie sich auf ihrer Internetseite und lästern kräftig über den Neuen: "Der Junge benutzt Haargel." Kevin - wie sie das neue Gesicht getauft haben - muss weg, fordern sie. Und bitten für dieses Anliegen Besucher der Seite, eine vorgefertigte Protest-E-Mail abzuschicken. Für alle Fälle haben sie außerdem eine "Notfallbastelvorlage" gefertigt, für ein Cover mit dem wohlbekannten Antlitz, das man einfach über die neue Packung drüberschieben kann.
Eigentlich sollte die Aktion ein Gag sein. "Zu einem Boykott oder so etwas rufen wir sicher nicht auf", sagt Tzschucke zu SPIEGEL ONLINE. Aber der Andrang auf der Internetseite ist enorm. Rund 20.000 Besucher haben das Protestschreiben gegen "Kevin" schon abgeschickt.
Zwei Einzelhändler berichteten den Protestlern im Forum und per E-Mail sogar von Absatzrückgängen von rund 25 Prozent, seit der neue Junge von der Packung lächelt. Einer fragte, ob er die Verpackungs-Bastelvorlage ausdrucken und für die Kunden neben die Schokolade hängen darf.
Auch in Blogs wird heftig über die Neuerung hergezogen. "Warum lassen die nicht einfach die Packung so wie sie ALLE kennen?", heißt es, oder: "Neulich zeigte meine Freundin mir die neue Verpackung und ich traute meinen Augen nicht... ehrlich, ich habe sie auch gefragt, ob das NACHGEMACHTE sind."
"Das Produkt ist im Gespräch"
Bei Ferrero sieht man den Aufruhr gelassen. "Ein neues Gesicht hat es immer schwer", sagt eine Sprecherin. "Aber eine Modernisierung stand einfach an." Von Absatzrückgängen könne man nicht berichten, dazu sei es auch noch zu früh - schließlich wird die neue Verpackung erst seit September ausgeliefert. Auch die Rabattaktionen, die Protestler verstärkt in Supermärkten bemerkt haben wollen, seien nicht außergewöhnlich. Andere Produkte würden genauso mit Aktionen beworben.
Die Internetbewegung, die sich gegen den neuen Jungen formiert, sieht man im Konzern noch mit Humor. Im Zweifel sei das sogar Werbung für die Schokolade. "Das Produkt ist so im Gespräch", sagt die Sprecherin. Sogar die Idee mit der Bastelverpackung findet sie witzig. Dass Händler die Vorlage im Supermarkt aufhängen, könne man ihnen wahrscheinlich kaum verbieten.
"Ein Zurück gibt es nicht."
"Mit so einer Neuerung kann man schon Teile einer Marke zerstören", sagt dagegen Franziska Völckner vom Institut für Handel und Marketing an der Universität Hamburg. "Das Produkt wird wesentlich mit dem alten Gesicht verbunden."
Coca-Cola habe beispielsweise bei der Einführung der Cherry Coke leidvoll erfahren müssen, welche Probleme eine Traditionsmarke bei dem Versuch sich zu verändern bekommen kann. "Der Geschmack ist ein zentrales Erkennungsmerkmal von Coca-Cola. Als man den veränderte, war das ein Flop", sagt die BWLerin, die ihre Dissertation zum Thema Markenmanagement geschrieben hat.
Zentrale Neuerungen müssten sorgfältig vorbereitet sein. Der Namenswechsel des Schokoriegels Twix, der bis vor einigen Jahren noch Raider hieß, schadete dem Produkt beispielsweise nicht - weil er von einer umfassenden Werbekampagne begleitet wurde, die den neuen Namen zum Thema machte.
Auch Ferrero müsse dafür sorgen, dass das neue Schoko-Gesicht mit den richtigen Assoziationen verbunden wird, glaubt Völckner. "Kevin" bringe da durchaus gute Voraussetzungen mit. "Das könnte der freche aber trotzdem liebe Enkelsohn sein, den Omas gut finden, oder der Sohn, den viele gerne hätten."
Ferrero wird sich etwas einfallen lassen müssen, vor allem weil die Marke in vielen Werbespots noch immer die 30 bis 40-Jährigen anspricht, die die Schokolade an ihre Kinderzeiten erinnern soll. Mit dem neuen Gesicht könnte das schwierig werden. Ein Zurück zur alten Verpackung gibt es aber nicht, sagt Völckner: "Das wäre ein Schlingerkurs. Das neue Gesicht ist ein Markenversprechen, das jetzt gefüllt werden muss."
Außerdem war es auch nach Ansicht der Marketingexpertin höchste Zeit für die Veränderung. Damit eine Marke langfristig überlebt, müsse sie von Zeit zu Zeit ihr Image modernisieren. "Kinder von heute können zum Beispiel mit dem alten Jungen nichts anfangen", erklärt sie. "Vielleicht hat sich Ferrero da sogar zu lange Zeit gelassen. Deshalb fällt der Absprung jetzt so schwer."
Quelle: Spiegel.de
Ok, mir gefällt das neue Gesicht auch nicht, aber die Hauptsache ist doch, dass es schmeckt.