Kindlers Literatur Lexikon: Jules Verne >Die Abenteuerromane<

  • In der Neuauflage "20000 Meilen unter den Meeren" des Fischer Taschenbuchverlages
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    findet man im Anhang neben zweieinhalb Seiten "Daten zu Leben und Werk" auch gut 4 Seiten aus Kindlers Literatur Lexikon, Jules Verne >Die Abenteuerromane<. In diesem Text steht über "20000 Meilen" geschrieben:


    Zitat

    Nemo macht Aronnax ein Angebot, das dieser ebenso wenig ablehnen kann wie Faust den teuflischen Pakt: eine Unter-Wasser-Weltreise, die ihm die letzten Geheimnisse dieses Planeten offenlegen werde, solange er sich bedingungslos dem Befehl des Kapitäns unterwerfe. Diese doppeldeutige Verführung ist nicht frei von leisen homoerotischen Tönen, denn Aronnax bewundert nicht nur Nemos Genie, sondern auch seine körperliche Statur und die unergründliche Seele des Kapitäns.


    Ich habe ja viel gedacht beim Lesen des Romans, aber eine homoerotische Beziehung habe ich nicht entdecken können.


    Was meint ihr? Wie seht ihr diesen Satz? Ich bin gespannt auf eure Meinungen.


    Übrigens: Diese Neuauflage des Fischer Taschenbuchs hat 510 Seiten, kostet 10 € und enthält keine Illustrationen. Übersetzung: Martin Schoske.

  • Naja, Homoerotik ist ja ein Begriff, der weiter geht als etwa "homosexuell" oder "schwul", homoerotische Untertöne gibt's ja auch bei Heterosexuellen. Zum Thema selbst verweise ich mal auf den Beitrag "Zwischen Jules Verne und Walt Disney, Hirn, Muskeln und männliche Begierden in '20000 Meilen unter den Meeren" im von Ralf Junkerjürgen und mir herausgegebenen Band "Jules Verne. Stimmen und Deutungen zu seinem Werk" (Wetzlar 2005), der meiner Meinung nach sehr vernünftig und durchaus interessant mit dem Thema umgeht.


    Ansonsten, da hat Bernhard schon Recht, werden bestimmte Autoren nicht müde, Jules Verne immer wieder als schwul zu outen oder ihm eine uneheliche Tochter nach der anderen (warum eigentlich keine Söhne??) anzudichten.


    Fakt ist: Anhand biographischer Äußerungen weiß man herzlich wenig über Vernes Sexualität, aber alle zaghaften oder meist spaßhaften Andeutungen sind eindeutig heterosexueller Natur.


    Sollte dennoch mal ein Liebesbrief Jules Vernes an einen männlichen Partner auftauchen, würde mich das schon überraschen und ich würde sagen: "Sieh mal einer an!" Naja, und ?

  • Die ersten Andeutungen in diese Richtung (Verne sei schwul) hatte ich den Behauptungen der Biografie von Marc Soriano (1979) entnommen. Allerdings geht es mir hier eher darum, dass ich während des Lesens von "20000 Meilen" zu keinem Zeitpunkt den Eindruck hatte, dass Aronnax homoerotische Neigungen zu Nemo entwickelt hat. Danke für den Hinweis auf euren (Du und Junkerjürgen) Artikel, den ich mir unter diesem Gesichtspunkt durchlesen werde.

  • Wenn ich solche Art von Hinweisen wie im zitierten Anhang beschrieben finde, dann überlege ich immer: Was will mir der Autor (dieser Bemerkung) eigentlich sagen? Oft fällt das in die Kategorie: "Wenn ich sonst schon nichts Neues zu berichten habe, dann stell ich wenigstens neue (oder zumindest nichtssagende) Behauptungen oder Einschätzungen auf".
    Wenn jeder Mann der einen anderen, vielleicht sogar attraktiveren oder sportlicheren Mann eben ehrlich beschreibt, in diese Ecke gestellt wird, dann wären ja alle diese Aussagen so zu beurteilen.
    Aus meiner Sicht will sich hier jemand interssant machen. Ich hab ja beim Verne lesen schon viele Dinge "herausgelesen" - auch für mich selbst interpretiert, aber diese "Untertöne" sind mir nicht aufgefallen. In Abwandlung eines bekannten Zitats würde ich ergänzen wollen: ".... wer öfters in die Garage geht, wird deshalb noch lange kein Auto!"


    PS: ... und selbst wenn? Heutzutage gibt es genügend Künstler die mit ihren Neugungen öffentlich kockettieren. Früher war es eben "nicht schicklich". Trotzdem gab es (wie auch schon in den anderen Beiträgen angerissen) noch keine belastbaren Hinweise zu dieser These.

  • :DD Es soll ja auch keine Moral-Diskussion werden... ;) (Da bin ich aber froh, dass Du das auch so siehst, Andreas.)


    Übrigens: Von Kindlers Literatur Lexikon gab es schon Mitte der Siebziger Ausgaben. Weiß jemand, aus welchem Jahr der Artikel "Jules Verne >Die Abenteuerromane<" stammt? (Wolfgang weiß es wahrscheinlich :] )